Am 10. Juni 1982 starb mit dem erst 37 Jahre alten Rainer Werner Fassbinder eines der größten Genies des deutschen Autorenfilms. Die Lücke, die er hinterließ, vermochte niemand zu schließen. Der Theatermann stand für einen stilistisch einzigartigen Zugang zum Medium Film. Und einzigartig war auch sein Arbeitspensum, das der Dramaturg und Drehbuchautor Peter Märthesheimer einmal mit dem Satz kommentiert hat: "Der dreht Filme wie andere Leute Zigaretten." Tatsächlich kamen andere Leute, wenn sie mit Fassbinder arbeiteten, kaum mehr dazu, sich selber Zigaretten zu drehen. In einem Höllentempo produzierte er mit Vorliebe mit immer demselben Team, dessen Namen man bis heute beinahe reflexartig mit dem seinen verbindet: Irm Hermann darunter, Kurt Raab, Peer Raben, Harry Baer und Ingrid Caven, um nur einige aus dem inneren Zirkel der "Fassbinder-Factory" zu nennen. Und natürlich: Hanna Schygulla, die niemals auf der Leinwand mehr einen solchen Glanz entfalten konnte, wie in den großen, aber auch manchen kleinen Filmen Fassbinders. Rechtzeitig zum zwanzigsten Todestag des Autors, Regisseurs, Schauspielers und Produzenten hat der Filmjournalist Michael Töteberg in der verdienstvollen Reihe rowohlts monographien einen sehr gelungenen Band vorgelegt, der auf knappem Raum die Summe des Lebens und des Schaffens des großen Autors und Regisseurs zieht. Eine Quintessenz dieses Lebens hat vielleicht auch Herbert Achternbusch unmittelbar erfasst, den Töteberg am Ende des Bandes zitiert: "Ich habe Fassbinder nur dreimal gesehen, zuletzt auf dem Münchner Viktualienmarkt, in den er in schneller Fahrt hineinging, als müsste er gesehen und gleichzeitig vergessen werden. Er trug Jeans und ein kurzes Hemdchen, natürlich rauchte er. Ich drehte mich nach ihm um. Ich kam mir wie ein Opa vor, der seinen Alltagsgeschäften nachdattert. Ich hätte gern ein Bier mit ihm getrunken, aber es schien mir nicht angebracht. Er kam mir vor wie einer, den man nicht aufhalten darf." Aufhalten, das lernen wir aus diesem Buch, hätte man ihn in seiner schnellen Fahrt durch sein Leben auch nicht können. Aber vergessen wird man ihn so schnell auch nicht. Auch dafür liefert Töteberg viele gute Gründe. --Andreas Vierecke Quelle:
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