"Kalte Ente. Alma amüsant", so Thomas Manns Tagebucheintrag aus dem Jahr 1948 nach einem Gesellschaftsabend bei der großen alten Dame. "Viel Champagner und Benediktiner", vermerkte der noble Gast weiterhin. Was dem Dichter nicht auffiel, Champagner in rauen Mengen war inzwischen zu ihrem Grundnahrungsmittel geworden. Alma Mahler-Werfel, beinahe siebzig und von Depressionen gequält, sah in ihrem verdunkelten Luxusappartement in Manhattan dem letzten Lebensabschnitt entgegen, verschanzt in einem düsteren Mausoleum, umgeben von zahllosen Reliquien und Erinnerungsstücken an die großen Lieben ihres Lebens. Wer diese geheimnisvolle Frau war, die es schaffte, fast die gesamte Elite der Kunstschaffenden zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ihren Bann zu ziehen, das arbeitet Astrid Seele in einem gestochen scharfen Psychogramm heraus. In all ihren Liebhabern, fast ausschließlich ältere Männer, suchte die 1879 geborene Alma die Figur ihres geliebten, früh verstorbenen Vaters, des Landschaftsmalers Emil Schindler. Gustav Klimt, Kultmaler der Wiener Secession und häufiger Gast im Hause Schindler, eröffnete den prominenten Reigen. Kurz nach einem Intermezzo mit ihrem Kompositionslehrer Alexander von Zemlinsky, folgte der erste erotische Olymp, die Ehe mit Gustav Mahler, dem frisch gebackenen Wiener Hofoperndirektor. Eine Ehe, die die Folie abgab für alle späteren Liebschaften: Alma als peitschenschwingende Herrscherin und aufopfernde Muse. Für Mahler und seine Nachfolger, Bauhaus-Gründer Walter Gropius, Oskar Kokoschka und Franz Werfel (dies nur die herausragendsten Figuren), war sie Inspirationsquell, "mütterliche Kraft" und Motor künstlerischer Entfaltung. Alma adaptierte nicht ungern die Rolle der entsagungsvollen Muse, ermöglichten ihr doch ihre "Mannkinder" den von ihr beanspruchten pompösen Lebensstil im sozialen Mittelpunkt. Vordergründig liebende Ehefrau, blieb Alma dennoch, erotisch oft unausgefüllt, ein Leben lang eine Getriebene. Trotz der Fülle widersprüchlichster Selbstzeugnisse, hat Astrid Seele (auch dank eines neu entdeckten, enthüllenden Briefwechsel Almas mit dem Schriftsteller Friedrich Torberg), eine Frau erfahrbar gemacht, deren pure Anwesenheit sich in den Werken der bedeutendsten Schriftsteller, Maler und Komponisten unauslöschlich verewigt hat. --Ravi Unger Quelle:
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