Franz-Xaver Kaufmanns Buch ist kein weiterer Schnellschuss-Beitrag zur aktuellen Reformdiskussion unserer Sozialsysteme, sondern ein Stück bester wissenschaftlicher Grundlagenforschung. Jeder, der sich in vergleichender Perspektive kompetent mit dem Thema Wohlfahrtsstaat beschäftigt, wird an dieser Analyse des Altmeisters der deutschen Sozialstaatsforschung nicht vorbei kommen. Die vergleichende Anlage der Untersuchung lässt nichts zu wünschen übrig. Sicherlich kann man sich über die Auswahl der Länderstudien streiten, doch sind die Auswahlkriterien schlüssig begründet. Ausgehend von der Annahme, dass Begriff und Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaates auf normativen Grundlagen beruhen, stellt Kaufmann zwei antipodische Leitbildkonzeptionen von Staat und Gesellschaft an den Anfang: die USA mit ihrer liberal-kapitalistischen Tradition und die ehemalige Sowjetunion mit ihren sozialistischen Forderungen. In diesem Spannungsfeld haben sich in Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg verschiedene Varianten des Wohlfahrtsstaates herausgebildet. Neben diesen internationalen Einflüssen identifiziert der Autor historische und ideengeschichtliche Eigenheiten der Staaten als Gründe: die Armutsfrage als Leitproblem der britischen Gesellschaft, das Gleichheitsproblem in Schweden oder die Arbeiterfrage in Deutschland. Als Vergleichsdimensionen wählt Kaufmann "Staat und Gesellschaft", "Wirtschaftssystem -- Gewerkschaften -- Arbeitsrecht", "Leitproblem", "Rolle des Staates" sowie strukturelle und institutionelle Spezifika. Eingerahmt sind die Länderstudien von einer umfangreichen methodisch-theoretischen Einführung am Anfang und etwas skizzenhaft wirkenden synoptischen Schlussbemerkungen. Darin wird die Entwicklung Deutschlands von Anfang bis etwa Mitte der 1990er-Jahre im Vergleich zu den OECD-Staaten analysiert sowie ein kurzer Ausblick auf die "wohlfahrtsstaatliche Entwicklung im Rahmen der europäischen Integration" gegeben. Wermutstropfen: Die Studie ist abgesehen von einigen Aktualisierungen auf dem Stand von 1999, was daher rührt, dass sie eigentlich für eine im Jahr 2000 publizierte Schriftenreihe des Sozialministeriums verfasst wurde. Fazit: Trotz dieser Einschränkungen ist das Ergebnis eine an Informationen sehr dichte, hervorragend strukturierte und gut zu lesende Analyse mit großem Erkenntnis- und Nutzwert. --Dr. Manfred Schwarzmeier Quelle:
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