Bernard Lown genießt als Erfinder der kardialen Defibrillation und als Gründer der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) internationales Ansehen. Die verlorene Kunst des Heilens. Anleitung zum Umdenken ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Anerkennung der psychosozialen Kompetenz als dem entscheidenden Merkmal des umfassend gebildeten Arztes. Zwangsläufig enthält es auch eine gehörige Portion Kritik an der modernen Hightech-Medizin "ohne menschliches Antlitz". Das Wichtigste vorweg: Lowns Buch präsentiert -- angesichts seiner Biografie nicht unerwartet -- keinen Gegenentwurf zur Schulmedizin. In seiner langjährigen Tätigkeit an führenden US-Kliniken beobachtete der Autor zwei gegenläufige Trends: die stürmische Entwicklung diagnostischer und therapeutischer Techniken bei gleichzeitig abnehmender Befähigung der Ärzte, den Heilungsprozess "mit Worten", d. h. mittels Autorität oder positiver Ausstrahlung, zu befördern. Jene traditionellen Methoden aktivieren verborgene Ressourcen der Patienten, sind heute aber nur noch bei Ärzten "alten Schlags" in praxi zu beobachten. Lowns Forderung besteht im Wesentlichen darin, diesen Qualitäten der Arztpersönlichkeit wieder die ihnen gebührende Geltung in der medizinischen Ausbildung und im ärztlichen Alltag zu verschaffen. Zur Illustration seines Anliegens führt er eine Vielzahl verblüffender Fälle aus seiner klinischen Tätigkeit an. Dem Leser wird schnell klar, dass es sich keineswegs um Effekthascherei bzw. unbelegte Einzelbeobachtungen handelt. Vielmehr werden in diesen Bespielen die Hintergründe und Facsstten der Arzt-Patient-Beziehung transparent, auch wenn die exakten Zusammenhänge von Kommunikation und Heilerfolg manchmal nicht bis ins letzte Detail erklärbar sind. Entstanden ist ein äußerst kurzweiliges Werk, das man angehenden Medizinern nur dringend ans Herz legen kann. Speziell der Abschnitt über "vernichtende Worte" mit seinen entlarvenden Feststellungen zur ärztlichen Terminologie sollte dazu beitragen, derartiges Fehlverhalten zu vermeiden. Lown hilft jungen Ärzten mit seinem Buch, ihre Macht zu erkennen, ihren Horizont zu erweitern und vor allem ihr therapeutisches Arsenal um das Element der menschlichen Zuwendung zu bereichern. Darüber hinaus ist seine Anleitung größtenteils auch für Laien verständlich und trägt zur besseren Verständigung zwischen den Halbgöttern in Weiß und ihren Patienten bei. Ohne Übertreibung kann man den vorliegenden Band schon jetzt als wichtigste medizinische Neuerscheinung bezeichnen. Die Lektüre wird garantiert niemand bereuen. --Philipp-R. Schulz Quelle:
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