Die Archive des Heiligen Offiziums galten bis zu ihrer Öffnung zu Beginn des Jahres 1998 als geheim. Doch schon zuvor war das strenge Zugangsregime der vatikanischen Archive gelockert worden. So gewährte man Peter Godman, Professor für lateinisches Mittelalter und Renaissance an der Universität Tübingen, bereits 1996 weitest gehenden Einblick in die Akten von Indexkongregation und Römischer Inquisition. Godman, der zunächst nur für drei Tage nach Rom gereist war, um Einsicht in die Unterlagen über die Zensur der Schriften Niccolò Machiavellis zu nehmen, hat davon reichlich Gebrauch gemacht und mit Die geheime Inquisition. Aus den verbotenen Archiven des Vatikans eine äußerst lesenswerte Analyse des Wirkens der vatikanischen Zensur- und Inquisitionsbehörden vorgelegt. Godmans besondere Aufmerksamkeit gilt dabei nicht dem Umgang der katholischen Kirche mit "Hexen" und dergleichen -- diesem, wie er ganz zu Recht sagt, "abgedroschenen Thema der Inquisitionsforschung"; sein Fokus liegt vielmehr auf der geistes- und kulturgeschichtlich ungleich interessanteren Frage, wie die kirchlichen Amtsträger mit den Intellektuellen und ihren Werken verfuhren. So rekonstruiert der Autor anhand von Akten aus der Zeit des Kalten Krieges erstmals die Zensur des Werks von Graham Greene. Für die Zeit vor dem 20. Jahrhundert erhält der Leser umfassend Auskunft darüber, wie und warum man mit den Schriften von Denkern wie Descartes, Leibniz, Hume, Montesquieu oder Voltaire verfuhr. Aus der Opferperspektive ist die Geschichte der Inquisition oft genug erzählt worden, und Godman hat gut daran getan, diesen Arbeiten keine weitere hinzuzufügen. Er hat stattdessen den mentalitätsgeschichtlichen Fragen nachgespürt: "Wie haben Inquisitoren und Zensoren gedacht? Wie sahen ihre Vorstellungen, Motive, Methoden aus?" Und die Antworten, die der Autor gibt, sind nicht das Ergebnis von Spekulationen, sondern sorgfältig aus den Quellen erarbeitet und deshalb teilweise recht verblüffend, immer aber wohltuend differenziert. Und darum lohnt die Lektüre von der ersten bis zur letzten Seite. --Andreas Vierecke Quelle:
|