Der international renommierte Sachverständige in Fragen des NS-Kunstraubs, Jonathan Petropoulos, legt mit dieser Studie zum komplexen Thema "Kunstraub und Sammelwahn" unter den Nationalsozialisten eine grundlegende Untersuchung vor. Dass das Thema nicht das Geringste an Aktualität verloren hat, zeigen die fast täglichen Berichte der Feuilletons über ungeklärte Fragen der Rückgabe gestohlener Kulturgüter -- in welche Richtung auch immer. Dabei ist das erweiterte Themenfeld so alt wie die menschliche Kultur selbst: Konnte doch seit jeher der Herrscher, der sich nach neuen Eroberungen im Besitz grosser, schöner oder materiell wie ideell wertvoller Kunstgegenstände aus fremder Hand wusste auch der Strahlkraft dieser Werke auf seine Person und nicht zuletzt auf seine Machtposition sicher sein. Zu erinnern sei nur an die "Importe" der Römer aus Griechenland, an antike Spolien in mittelalterlichen Kirchen und Pfalzen, an Heiligenreliquien aus dem Orient für das Abendland und nicht zuletzt an die groß angelegten Raubzüge Napoleon Bonapartes. Die neue "Qualität", die in dieser Hinsicht jedoch der Kunstraub der Nazis gewann, wird durch Petropoulos umfassend informierendes Buch deutlich: Beruhte doch der Wahn der Anhäufung fremder Kunstschätze der NS-Elite auf einer die Raubzüge ideologisch begründenden und ausgefeilten propagandistischen Basis, die nicht zuletzt die Entfernung unliebsamer Museumsdirektoren, die Verfolgung "entarteter" Kunst und die gleichzeitige Propagierung völkischer Ästhetik vorsah. Petropoulos, Zeithistoriker an der Claremont Univerity in Kalifornien, gliedert sein Werk in zwei große Abschnitte. Zum einen in die Grundlegung der kulturpolitischen Propaganda und die Installierung der nationalsozialistischen Kulturbürokratie, zum anderen in die Betrachtung des spezifisch nationalsozialistisch geprägten Sammelwahns bis hinein in dessen gruppen- wie individualpsychologische Fassetten. Die breite Analyse wird zudem mit etwa sechzig historischen und zum Teil unbekannten Fotografien illustriert sowie mit ausführlicher Bibliografie, Schaubildern, einem Glossar und Register abgerundet. All dies steigert nur noch den erhellenden Wert des ansprechend gestalteten Buches als aktuelle und spannend zu lesende Standardpublikation zu diesem dunklen Thema deutscher Geschichte. --Dr. Ernst Seidl Quelle:
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