Wenn eine biografische Studie über Adolf Hitler 30 Jahre nach ihrem ersten Erscheinen zum wiederholten Male neu aufgelegt wird, dann muss das gute Gründe haben. Und die hat es in der Tat! Denn trotz der vereinzelt vorgetragenen Kritik, die von Joachim Fest verfolgte biografische Methode sei überholt, und trotz der Tatsache, dass in der historischen Forschung zu Hitler längst neue Meilensteine gesetzt worden sind (namentlich etwa mit der zweibändigen Biografie von Ian Kershaw): Fests Arbeit ist neben der von Alan Bullock in mancherlei Hinsicht bis heute state of the art. Und das gilt nicht nur für die für das Genre ungewöhnliche literarische Qualität. Es gilt vielmehr auch für die Frage, welche persönlichen, gesellschaftlichen und historischen Ursachen hinter dem retrospektiv immer unverständlicher erscheinenden Aufstieg Hitlers wirksam waren. Anders als Kershaw, in dessen Hitler-Biografie der Protagonist am Ende gleichsam als Ergebnis und Sprachrohr der allenthalben waltenden sozialen Energie erscheint und als Person beinahe aus dem Blick gerät, bleibt Fest bei seiner Darstellung stets eng bei der Person Hitler. Dabei verliert er die soziohistorischen Gründe für die Möglichkeit von dessen "Erfolg" nicht aus den Augen. Im Gegenteil: Immer wieder zeigt der Autor, wie sehr einzelne Fassetten der Pathologie des Diktators mit konkreten wie diffusen Bedürfnissen, Gefühlen und Ressentiments anderer Einzelner ebenso wie der "Masse" korrespondierten. Auch Fests Hitler-Biografie liefert nur einen Mosaikstein -- immerhin aber einen sehr wichtigen -- für das immer noch längst nicht vollständige historisch- und sozialbiografische Bild, das wir uns von dem Phänomen Hitler und all dem, was damit zusammen hängt, machen müssen. Und dieses Bild müssen wir uns nicht nur machen, um die Vergangenheit zu begreifen, sondern auch, um unsere Gegenwart besser zu verstehen. Denn wenn Fest mit seinem Buch eines deutlich gemacht hat, dann dies: Hitler markiert nicht nur das Ende einer Epoche, er steht vielmehr auch am Anfang unserer Gegenwart, die "ohne die Kenntnis der hier dargestellten Geschichte" nicht verstanden werden kann, wie der Autor im Vorwort schreibt -- auch wenn diese Geschichte, was ihren Hauptdarsteller anbelangt, den größten Schrecken aus dessen primitiv-monströser Trivialität bezieht, wie das vielleicht beste Kapitel "Blick auf eine Unperson" eindrucksvoll und bis heute unüberholt belegt. --Andreas Vierecke Quelle:
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