„Du alter Tintenklecks, wenn ich nach Hause komme, machen wir beide meine Tasche auf, und da drin sitzt die Maus Suse...“ -- Viel Zeit war dem Vater nicht beschieden, seinem Sohn solch liebevolle Postkarten zukommen zu lassen. Viel zu früh wurde Jurek Becker im März 1997 durch seine Krebskrankheit aus dem Leben und Schreiben gerissen. Sollte der damals siebenjährige Jonathan heute sein Vermächtnis zur Hand nehmen, so wird ihm der väterliche Versuch nicht entgehen, ihn auf eine Umlaufbahn aus Fantasie, Poesie und Sprachwitz zu katapultieren. Ein Vater, der sich an seinem kleinen Johnny nicht satt schreiben konnte. Dieses zu Herzen gehende Briefkonvolut liegt nun erstmalig gesammelt vor. Jurek Becker, der mit Jakob der Lügner und Bronsteins Kinder zu Weltruhm gelangt war, war ein viel beschäftigter Mann. Zahlreiche Lesereisen hielten ihn von seinem späten Glück fern. Stets plagten den 53-Jährigen, der mit seiner zweiten Frau Christine 1990 Jonathan bekam, Zweifel, sein Johnny könnte ohne ihn heranwachsen. So erinnerte Becker sich an den Brauch des Kartenschreibens, den er bereits mit seinem Männerfreund Manfred Krug über Jahre hinweg gepflegt hatte (aufs Schönste nachzulesen in Jurek Beckers Neuigkeiten). Alte Pudelmütze, Wackelpudding, Mopsfrosch, Wickelbaby -- die Anreden waren schier unerschöpflich. Versteht sich, dass auch die Karten selbst in keinster Weise der üblichen drögen Handelsware entsprachen. Mal wird Johnny von Miro gegrüßt („...bis wir uns wieder sehen, sollst Du ganz viel lachen und ganz wenig weinen“), dann wieder darf das Hundertwasserhaus in Wien seine Sinne anregen. Batman und Godzilla grüßen aus kitschiger Ferne. Und immer wieder gibt es Nachricht vom Elefanten Babar, einer Schöpfung des französischen Illustrators Jean de Brunhoff. Papa Beckers Mini-Meldungen künden von großer Nähe und noch größerer Sehnsucht. Sorgfältig faksimilierte Karten, eine einfühlsame Einführung, eine hübsche Johnny-Fotostrecke. Beim Durchblättern stellt man langsam schmerzlich fest: So inniglich begleitet wäre man selbst gern erwachsen geworden. Letzter Auftritt eines großen Schriftstellers, der im Kleinformat zu literarisch großer Form auflief. Ein anrührender letzter Gruß von „Deinem Jurekpapa“. --Ravi Unger Quelle:
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