Und Lemming lässt ihn sich geben: Er macht Karriere, und je mehr Macht und Reichtum ihm zufließen, desto mehr arrangiert er sich mit den politischen und ökonomischen Realitäten, die er als Student so vehement bekämpfte. Er wird Vertrauter eines skrupellosen Wirtschaftsmagnaten und landet schließlich im Ministersessel. Nicht nur seine sozialistischen Ideale bleiben dabei auf der Strecke, auch seine große Liebe lässt er links liegen. Am Gipfel von Macht und Korruption angelangt, stolpert Lemming schließlich selbst in den Abgrund.

Michael Amons 1998 erstmals erschienener, nun neuaufgelegter Debütroman ist ein wehmütiger Nachruf auf linke Utopien und eine packende literarische Fallstudie über deren karrierebedingten Ausverkauf. Nicht ohne gewisse Sympathie für seinen Antihelden schildert der Autor die Entwicklung vom Rebellen zum Bonzen, beschreibt den Weg von Rockmusik und Joints zur im Nobelclub gepflegten Freunderlwirtschaft, vom Kampf für soziale Gerechtigkeit zur persönlichen Bereicherung aus der Genossenschaftskasse, von der Antikriegsdemo zur Waffenschieberei.

Auch wenn reale Personen und Ereignisse immer wieder als erkennbare Vorlagen dienen, ist Lemming kein Schlüsselroman, vielmehr fiktives, erzählerisch überspitztes Exempel für die mit Politkarrieren schleichend einhergehende Korrumpierung, die menschlich umso tragischer ist, je höher die einstigen Ideale waren. Ein melancholischer, bitter abgeklärter Ton bestimmt die Geschichte, als deren Icherzähler ein enger Parteifreund Lemmings auftritt, weniger Anklage als Beichte eines Mitschuldigen, dessen Sentimentalität sich in einer zynischen Schlusspointe freilich selbst ad absurdum führt. Wer den Preis der Macht schon gezahlt hat, kostet sie eben bis zum Ende aus. --Mathis Zojer
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