"Di Musik klingt asoj schejn!" Ja -- und doch war sie fast in Vergessenheit geraten, drohte zu einer sterbenden Kultur zu werden. Die Klezmer-Musik, diese traditionelle Hochzeits- und Festmusik der osteuropäischen Juden. Klezmer hatte sich im 18. und 19. Jahrhundert im jiddischsprachigen Osteuropa entwickelt. Berufsmäßige Hochzeitsmusiker gab es allerdings bei den Juden schon seit Jahrhunderten in ganz Europa. Erstaunlicherweise war gerade unter ihnen die Bezeichnung "Klezmer" (in der hebräischen Schriftsprache bedeutet dies lediglich "Musikinstrumente"), bis 1775 unbekannt. Jüdische Spielleute nannte man "Letsonim", ein Begriff aus der hebräisch geschriebenen Tora, den Fünf Büchern Moses, mit dem man Hanswurste, Schelme und Spötter belegte. Die Autoren legen in diesem Buch zum ersten Mal die Wurzeln dieser Musik frei, die im religiösen jüdischen Schrifttum zu finden sind und zeigen ihre ursprüngliche magische Funktion und ihre Verankerung im mittelalterlichen Volksglauben der rheinländischen Juden, den "Aschkenasim". Wir besuchen die Tanzhäuser neben den Synagogen in den Judengassen der aschkenasischen Gemeinden Speyer, Mainz und Nürnberg des 12. Jahrhunderts, werden Zeugen der damals schon feindseligen Haltung der Christen gegenüber den "impertinenten Judenspielleuten" und folgen den vertriebenen Aschkenasim schließlich in ihre "Schtetlech" nach Polen, wo sie bei Adligen und Grundbesitzern ihrer handwerklichen Fähigkeiten wegen gnädig Aufnahme fanden. Springen wir über den Atlantik, so treffen wir einige wenige große Klezmorim, darunter solch schillernde Gestalten wie den in Gangster- und Bordellkreisen bekannten Klarinettisten Naftule "Nifty" Brandwein, der in New Yorks Lower East Side in den 20er Jahren mit seinen schwerblütigen Melodien die heimwehkranken Immigranten besänftigte und ihnen ein Stück Heimat zurückgab. In Europa begann derweil das dunkelste Kapitel. Es erfolgte 1936 die fürchterliche Zeit der Großen Säuberungen unter Stalin -- dann kam die Shoah. Im Zuge des Klezmer-Revivals in den USA und seinen Ausläufern in Europa, besonders nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs, entdeckten die Autoren nun in Deutschland ein verräterisches, vorauseilendes Wohlwollen: In diesem nicht erst seit der Shoah für Angehörige des ostjüdischen Kulturkreises unwirtlichen Land, huldigt man derzeit begeistert den verwässerten, nach dem World-Music-Markt schielenden Lightversionen und ihren Protagonisten wie dem Klarinettisten Giora Feidman, der keinerlei Klezmer-Tradition, sondern lediglich eine enthistorisierte "eigene pseudo-kabbalistische Philosophie" in Weihnachtssendungen oder bei deutschen "Grand Prix"-Vorausscheidungen feilbietet. Wie ein Automatismus setzt ferner inzwischen bei Fernsehberichten über den Holocaust eine als "Klezmer" identifizierbare Musik ein und stellt sogleich eine scheinbar kausale Relation zwischen Judentum und einer antiquierten Jiddischkeit her. Um solchen Missverständnissen entgegenzuwirken und ein wirkliches Gespür für die Ursprünge und Bedeutung dieser Musik zu erlangen, haben die beiden Autoren dieses herrliche und genaue Buch herausgebracht, in dessen Anhang noch zahlreiche ausgewählte Klezmer-Aufnahmen empfohlen werden. --Ravi Unger Quelle:
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