Der Kunsthistoriker Werner Spies (Jahrgang 1937) ist ein großer Bewunderer und Propagandist von Max Ernst. Seine zahlreichen Schriften zum Werk des Surrealisten, darunter ein fünfbändiger, monumentaler Ouevrekatalog, beweisen durchweg große Sachkenntnis und persönliches Engagement. Spies hat sich vor allem mit dem Teil des Werks auseinandergesetzt, der zwar oft zitiert, aber selten einer eingehenden Interpretation unterzogen wird: den Collagen. Innerhalb des Collagenwerks gibt es ein paar relativ leicht voneinander abgrenzbare Werkgruppen. Einige davon, wie die berühmte, Ende der 20er Jahre entstandene Collagennovelle "La Femme 100 Têtes", teilen sich in ihrem kruden, hintergründigen Witz dem Betrachter unmittelbar mit. Andere dagegen lassen ihn eher ratlos zurück. Die Loplop-Serie, ein Zyklus aus den 30er Jahren, ist besonders rätselhaft. Der Vogelmensch mit dem Phantasienamen Loplop ist eine Gestalt aus Ernsts Privatmythologie. Loplop führt eine Existenz mit vielen Facetten: Er ist einerseits Alter ego des Künstlers, aber auch eine Figur, die an seiner Statt ironische Bildinhalte präsentiert. Manchmal taucht Loplop nur als Name eines Blatts oder als kleines Dekor am Rande auf, andere Male ist er bildfüllende Hauptfigur. "Loplop/Max Ernst, der Vogel und der Vogelsteller, lockt dabei den Betrachter tiefer und tiefer in ein Labyrinth der Täuschung und der vorgetäuschten Täuschung." Werner Spies versucht, einen Orientierungsfaden durch dieses Labyrinth zu legen. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil der Künstler selbst sich nur verschlüsselt über seinen geheimnisvollen Protagonisten geäußert hat. Spies versucht, Max Ernsts ästhetisches Programm zu rekonstruieren, indem er detailliert zeigt, welches Ausgangsmaterial der Künstler für seine Blätter benutzt und wie er es umgeformt hat. Alle wichtigen Werke sind in Schwarzweiß-Reproduktion abgebildet und eingehend kommentiert. Nach Spies ist der Loplop-Zyklus eine zentrale Werkgruppe in Ernsts Ouevre, in der der Künstler sein eigenes Programm kritisch überprüft und künftige Problemstellungen vorwegnimmt. Spies formuliert diese These zwar mitunter etwas sperrig, belegt sie aber dafür überzeugend und materialreich. --Christian Demand Quelle:
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