"Am einfachsten wäre zu sagen: Franz war ein besonders religiöser Mensch. Erklärt wäre damit allerdings überhaupt nichts." Gerade deshalb ist Adolf Holls Buch über Franz von Assisi so wertvoll: Wer seiner Erzählung folgt, versteht die Faszination, die Franz auf seine Mitbrüder wie auf viele Menschen bis heute ausübt. Franz war weder Säulenheiliger noch Purpurträger, weder Ordensgründer noch Starprediger (wozu ihn einige Theologen immer wieder machen wollten). Franziskus als harmloser Tierfreund, der den Vögeln predigt, oder als Priester mit poetischer Ader, der am Gelehrten-Schreibtisch den Sonnengesang dichtet: Diese Klischees bedient der Wiener Schriftsteller und ehemalige Priester Adolf Holl nicht. Aus den Seiten seines Buches quillt kein Schönschreib-Weihrauch, sondern fließen die rauhen Gerüche von Pest und mittelalterlichen Städten. Stinkende Aussätzige und reiche Tuchhändler, stolze Geistliche und einfache Bettelbrüder: Holl malt ein eindrucksvolles Sittengemälde des 13. Jahrhunderts. Aus vielen literarischen Quellen schöpfte er den Stoff für seine Franz-Biografie; wie Mosaiksteine setzte er sie zusammen zu einem mitreißenden, historisch verwurzelten Lebensbild des Giovanni Bernardone. Der Sohn aus reichem Elternhause verschenkte nach Kriegszügen, Gefangenschaft und Zechgelagen sein Hab und Gut, sagte sich von seinem Vater los und zog fortan als "Francesco" predigend und bettelnd durch Umbrien. So anziehend war sein asketischer Lebensstil, dass sich bald viele Männer und Frauen um ihn sammelten. Wie Franz sprachen sie nicht nur vom Reich Gottes, sondern näherten sich ihm durch völlige Besitzlosigkeit an. Das war "reinstes gesellschaftspolitisches Dynamit", erklärt Buchautor Holl. Aus der Armut folgten Freiheiten, die am Menschen statt an Institutionen, anders gesagt an Jesus statt an der Kirche orientiert waren. Diese Freiheit schenkt Franz und seinen Brüdern und Schwestern die viel zitierte Glaubens-"Süße" in die Herzen, die wenig mit Romantik und viel mit Barmherzigkeit zu tun hat. Wer unabhängig vom Besitz ist, so lehrt die Geschichte des Franz wie das Buch des Adolf Holl, wird offen für Wunder und mystische Gotteserlebnisse. --Uwe Birnstein Quelle:
|