Mystisches Wien ist ein Heimat- oder Reiseführer für fortgeschrittene Kenner der Donaumetropole. Der prächtig illustrierte Band führt in Winkel und Gassen, in Keller, Katakomben, Brunnenschächte und Dachböden, die wohl nur wenige Wiener, und noch weniger eilige Durchreisende je zu Gesicht bekommen haben dürften. So vielfältig wie die Schauplätze sind auch die historischen Epochen, die durchstreift werden: Im Römerlager Vindobona findet der Historiker Sachslehner ebenso Hinweise auf den besonderen Bezug des Ortes und seiner Bewohner zum Mystischen wie im 20. Jahrhundert. Besonders angetan ist er dabei von dem legendären Verhältnis der Wiener zum Tod: Mit einer wohl ortstypischen Melange aus Neugierde und Entsetzen verfolgten sie aufwändig inszenierte Hinrichtungen von Raubmördern, Hexen oder politischen Gegnern. Ihre Toten bestatteten sie in weitläufigen Katakomben, deren Beschreibung zu den spannendsten Kapiteln des Buches gehört. Die eindrucksvollen Fotos von Robert Bouchal und eine beeindruckende Auswahl historischer Darstellungen machen das Mysthische Wien fast zum Bilderbuch. Nicht jedes Kapitel wird dem Titel des Buches gerecht. Das oft vergessene, riesige Schloss-Neugebäude ist zwar allemal eine Erwähnung in jedem Buch über Wien wert. Doch was der zuletzt von der der k. u. k. Armee als Munitionsdepot benutzte Bau mit Mystik zu tun haben soll, bleibt rätselhaft. Angesichts der gebotenen Dichte an spannenden und skurrilen, im modernen Stadtbild oft noch nachvollziehbaren Geschichten, G'schichterln und Anekdoten wird dieser Einwand freilich zur Haarspalterei. Abgesehen von einigen Passagen allzu geschwollener Prosa ist Mystisches Wien ein spannendes, faktenreiches Buch, das selbst Wienkennern noch neue Einblicke in die Gesellschaftsgeschichte der Stadt eröffnen wird. --Günther Strauss Quelle:
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