Dieses Cover, aus dem gleichen Material wie der Knautschlackmantel der Freundin in den Siebzigern! Ein auf schreiend orangefarbenem Grund prangendes Plattenlogo! Traumatische Erinnerungen werden wach an den elterlichen Plattenschrank mit Zehnplattenwechsler, einem mit dem Capri-Fischer Rudi Schuricke und einem Leichtmatrosen namens Freddy Quinn feindlich besetzten Möbelstück. Der Schrecken hatte damals einen Namen: Polydor. Nun ist die Chronik dieser deutschen Schallplattenmarke erschienen. Und was da verzeichnet ist, ist einfach herrlich! 1998: Ein Presseempfang zum 100. Geburtstag der Deutschen Grammophon, brachte die Autorin auf die Idee, die Geschichte des Tochterlabels zu recherchieren. Schon seit jeher stand der Name Polydor -- 1924 hervorgegangen aus der von Emil Berliner gegründeten Deutschen Grammophon und Polyphon -- auch für einen Schlingerkurs durch seichte künstlerische Gewässer. Hatte RCA Elvis und tobten sich die Beatles später auf Parlophone aus, so konnte man bei Polydor schon in den 20er-Jahren neben einem "O sole mio" singenden Kanarienvogel ("ein seltener Schatz für Schallplattenfreunde"), auch Caruso mit derselben Süßstoff-Arie erwerben. Diese herrliche Traditionspflege setzt sich bis in unsere Tage fort. Erz-Musikerinnen wie Björk und Sheryl Crow müssen sich einen Labelplatz teilen mit dem schluchzenden Fahrstuhlberiesler Andre Rieux. The Who, Jimi Hendrix und Cream (Highlights der Labelhistorie), in harter Konkurrenz mit einer Band namens Textilsparverein und ihrem 64er-Hit "Minikini"!? Eine Reise durch die Geschichte der Polydor birgt immer auch die Risiken einer Sturzfahrt ins musikalische Grauen. Merkwürdige Zeiten auch, in denen man eine Olivia Newton-John noch zwangsverpflichten konnte, ihren aktuellen Hit "Banks Of Ohio", radebrechend im Indianerdeutsch als "Unten am Fluß, der Ohio heißt", zweit zu verwerten. Udo Lindenberg, Roy Black, Peter Alexander, die glutäugige Daliah Lavi, alle gratulieren, musikalisch unterstützt vom "erfolgreichsten Polydor-Künstler aller Zeiten, unserem Botschafter des Party-Sounds", James Last (Werbeslogan: Lasst uns Last loben, autsch!). Ein Sternenhimmel kitschigster Autogrammkarten, schmachtender Südseeblicke und singender Hürdenläufer. Polydor eben. Hervorragendes Buch! --Ravi Unger Quelle:
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