"Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt".
Welch ein Satz! Ich erinnere mich, ihn in den 60er Jahren zum ersten Mal gelesen zu haben. Kafka galt in unserer Clique eine Zeitlang als jemand, den man gelesen haben mußte, um mitreden zu können. Verstanden habe ich damals eigentlich nichts. Oder fast nichts. Nur, daß etwas Ungeheuerliches geschehen war. In diesem Buch und mit mir. Da erwacht also dieser Gregor, ein junger Handlungsreisender, der unter seinem Beruf und der Lieblosigkeit seiner Umwelt leidet, eines Morgens als riesiges Insekt. Zur Arbeit zu gehen, macht in seinem Zustand wenig Sinn. Schon taucht der erboste Prokurist auf und verlangt wütend eine Erklärung für Gregors Fernbleiben. Diese Szene, in der Gregor hinter verschlossener Tür sein Verhalten entschuldigt, seinen Käferkörper zur Tür quält und sich schließlich zu erkennen gibt, ist so haarsträubend kafkaesk, daß spätestens jetzt dieser Begriff jedem einleuchten dürfte. Gregors Familie ist angewidert, läßt den Sohn aber bei sich wohnen, bis schließlich -- nun, Sie werden es erfahren. Keine Erklärung, nur dieser Hilfeschrei! Solche Radikalität war neu in der Literatur. Deutungen gab es viele. Gregor, wie Kafka, ein schwacher Mensch, der Tag für Tag mitansehen muß, wie diese Welt mit Schwachen umgeht, droht daran zugrundezugehen und vollzieht Die Verwandlung. Das ist seine "Rettung". Im Jahre 1912 geschrieben, wurde Die Verwandlung noch zu Kafkas Lebzeiten veröffentlicht. Ein literarisches Jahrhundertereignis. Wie nachhaltig die Wirkung noch heute ist, läßt sich am Werk solcher Regiegrößen wie David Lynch und Polanski, um nur einige zu nennen, ablesen. --Ravi Unger Quelle:
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