Nach Das Jahrhundert meines Vaters unternimmt Geert Mak mit In Europa noch einmal eine Forschungs- und Entdeckungsreise in das 20. Jahrhundert. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes: Das knapp tausendseitige Buch ist nämlich tatsächlich das Ergebnis einer Reise, die Mak während des gesamten Jahres 1999 unternommen hat, und die ihn quer durch Europa an die historischen Orte unserer jüngeren und jüngsten Geschichte geführt hat. Herausgekommen ist ein abermals sehr persönliches, unbedingt lesenswertes Geschichtsbuch ganz eigener Prägung. In Paris, London, Berlin und Wien, den Städten also, deren Puls das beginnende 20.Jahrhundert bestimmte, beginnt Mak seine mit stets überaus wachen Sinnen unternommene Erkundungsfahrt. Hier wurden die Fanfaren des Aufbruchs in die neue Zeit geblasen. Dem freilich folgte allzu bald das Geheul der Kriegssirenen. Den beiden Weltkriegen und ihren Schauplätzen in Europa spürt Mak denn auch während eines Großteils seiner Reise nach: Auf den ehemaligen Schlachtfeldern Verdun und Dünkirchen hat er sich ebenso umgesehen, wie in Auschwitz und Birkenau, das sich dem Besucher heute "von Margeriten und blühendem Klee bunt gefärbt" präsentiert. Das Lager Birkenau selbst verfällt zusehends. "Nach einem halben Jahrhundert zerbröselt der morsche Stacheldraht zwischen den Fingern, die Schuhberge sind nur noch grau und schwarz, die meisten hölzernen Gebäude sind morsch." Und für die Menschen, die aus den Fenstern ihres gerade einmal 100 Meter vor den Toren des KZ neu errichteten Wohnblocks auf "das Museum", wie sie sagen, blicken, ist Birkenau nur noch "eine Art Park, der viele Touristen anzieht, mehr nicht"… Auch nach Danzig dürfen wir Mak begleiten, nach Dublin und Belfast, dem Brennpunkt des Nordirlandkonflikts, nach Tschernobyl und Sebrenica, um nur einige der europäischen Erinnerungsorte des 20. Jahrhunderts herauszugreifen. Kurzum: Eine lange, nicht immer fröhliche, bisweilen auch anstrengende Reise kreuz und quer durch unseren Kontinent. Aber dank der kundigen und ausgesprochen inspirierten Führung eine äußerst lohnenswerte! --Andreas Vierecke Quelle:
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