Vergessen Sie beim Lesen gern die Zeit? Lieben Sie es, sich in ein dickes Buch mit vielen Bilddokumenten nebst erlĂ€uternden Informationen zu vertiefen? Dann sei Ihnen die vorliegende Bildbiografie von Richard Strauss empfohlen! Das 1999 erstmals erschienene Buch von Kurt Wilhelm ist zweifellos die umfassendste Sammlung von Fotografien, ferner auch Karikaturen, handschriftlichen Dokumenten u.Ă€. zum Leben des berĂŒhmten Komponisten. Sie beruht auf persönlichem Kontakt des Autors zu den Nachkommen von Strauss, die ihm das wertvolle Material zur VerfĂŒgung gestellt und ihn auĂerdem mit vielen Detailinformationen aus erster Hand versorgt haben. Auf ĂŒber 400 Seiten wird an den Dokumenten entlang aus dem Leben von Richard Strauss berichtet, oftmals im knappen Telegrammstil, immer aber mit der durchscheinenden AutoritĂ€t profunder Kennerschaft. Der Abschnitt ĂŒber die Kindheit in MĂŒnchen ist u.a. geprĂ€gt von den tragikomischen Begebenheiten um den Vater Franz Strauss, der als Hornist im Königlichen Hofopernorchester anlĂ€sslich der hĂ€ufig auf dem Programm stehenden, von ihm gehassten Wagneropern stĂ€ndig mit dem Dirigenten Hans von BĂŒlow und dem Intendanten Karl von Perfall aneinander geriet. Im weiteren Verlauf des Bandes ist ein Kapitel auch der Ehegattin von Richard Strauss, Pauline de Ahna, gewidmet. Hier wird jenseits der zwangslĂ€ufig aufgereihten Anekdoten ĂŒber die als zĂ€nkisch und indezent verschriene Dame vor allem deutlich, wie sehr das Zusammenleben des Paares von tiefster Zuneigung und vollkommenem VerstĂ€ndnis fĂŒreinander bis ins hohe Alter geprĂ€gt war. Die unzĂ€hligen SchwarzweiĂfotografien des Buches werden ergĂ€nzt durch eine farbige Fotostrecke mit prachtvollen Aufnahmen der Garmischer Villa -- Strauss berĂŒhmter Schreibtisch, sein FlĂŒgel und weitere persönliche Accessoires eingeschlossen. Ein heikler Punkt aller Strauss-Biografien ist das Verhalten des Meisters gegenĂŒber den Machthabern im Dritten Reich. Auch hier vermögen Erinnerungen aus dem Familienkreis das Bild zu vervollstĂ€ndigen, möglicherweise auch etwas aufzuhellen: Von grenzenloser, beinahe rĂŒhrender NaivitĂ€t zeugt die ErzĂ€hlung der Schwiegertochter Alice, Strauss habe versucht, ihre in Theresienstadt einsitzende GroĂmutter auf der Durchreise zu besuchen. Er drang tatsĂ€chlich bis zum Lagertor vor und wurde von den konsternierten Wachen abgewiesen. WĂ€hrend der Tage oder Wochen, in denen der Leser das Buch immer wieder zur Hand nimmt und sich fesseln lĂ€sst, verbindet er sich dank der PlastizitĂ€t des gesammelten Materials freundschaftlich mit Richard Strauss und seiner Lebenswelt, und es erwacht das Interesse an der (erneuten) BeschĂ€ftigung mit seiner Musik. Querverweise auf parallele Ereignisse aus Politik, Wissenschaft und kulturellem Leben am Anfang der Kapitel helfen, sich zu orientieren. ErgĂ€nzt wird der Band durch die ĂŒblichen Register, ein Werkverzeichnis und eine Chronik. Ein dicker Wermutstropfen jedoch kann nicht unerwĂ€hnt bleiben: Leider hat Kurt Wilhelm es nicht fĂŒr nötig gehalten, die genauen Quellen seiner zahllosen Zitate anzugeben, weshalb sich das Buch ĂŒberhaupt nicht zur wissenschaftlichen Arbeit eignet; was man hier findet, muss man bei tiefer gehendem Interesse mĂŒhsam in der Fachliteratur oder den Editionen der Briefe suchen und von dort aus belegen -- sofern es ĂŒberhaupt belegbar ist. Ein Mangel, dessen Behebung der Verlag fĂŒr spĂ€tere Auflagen in Betracht ziehen sollte! --Michael Wersin Quelle:
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