Lilli Gruber ist während des Präsidentschaftswahlkampfs 2005 kreuz und quer durch den Iran gereist und hat hinter den Kulissen des schiitischen Gottesstaates faszinierende Einblicke in ein zutiefst schizophrenes Land gewinnen können. Dessen Regime, so darf man nach der Lektüre mit guten Gründen hoffen, wird seine theokratische Herrschaft auf Dauer kaum gegen den Drang seiner Jugend nach Freiheit und Demokratie verteidigen können. Zwar hat der schiitisch-nationalistische Hardliner Ahmadinedschad die Wahl unzweifelhaft gewonnen, doch darf man daraus, wie Gruber deutlich macht, keineswegs schließen, dass die iranische Gesellschaft tatsächlich in ihrer Mehrheit hinter der Politik ihrer politischen Führung steht. Immerhin sind 40 Prozent der Iraner gar nicht erst zur Wahl gegangen. Und überall im Land hat die Autorin Menschen getroffen, deren Alltagsleben so überhaupt gar nicht mit dem Lebensstil übereinstimmt, den die Herrschenden ihnen als allein gottgefällig vorgaukeln. Der titelgebende Tschador ist ein sehr treffendes Symbol für die Zwiespältigkeit der iranischen Gesellschaft: Von Gesetzes wegen müssen sich die Frauen in der Öffentlichkeit verschleiern, vor Gericht gilt ihre Aussage weniger als die eines Mannes. Auf der anderen Seite sind von allen eingeschriebenen Studenten im Iran 65 Prozent Frauen. Und mögen sie sich auf der Straße auch verschleiern, nach den Moralgesetzen der Mullahs leben sie deshalb noch lange nicht! Und das obwohl das nach dem herrschenden Gesetz -- der Scharia -- durchaus lebensgefährlich sein kann. Auf Dauer, so das von Hoffnung und Zuneigung geprägte Fazit der Autorin, werden die Reformkräfte die Oberhand gewinnen. Daran wird auch ein noch so rückwärtsgewandter Präsident nichts ändern, der institutionell ohnehin nur über eingeschränkte Kompetenzen verfügt. Und selbst, wenn dies anders wäre, könnte er die in der zurückliegenden Reformphase bereits erreichten Freiheitsrechte nicht einfach wieder abschaffen. "Das würde die Bevölkerung niemals zulassen", hat die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi der Autorin versichert: "Wenn man das Rad noch weiter zurückdrehen wollte, werden sich die Iraner mit Klauen und Zähnen verteidigen." Hoffen wir, dass dies nicht nötig sein wird. Lesenswert! -- Andreas Vierecke Quelle:
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