Spätestens mit der Schöpfung des "Alien" in Ridley Scotts legendärem Horror-SF-Streifen gelangte HR Giger zu Weltruhm. Seine Bildbände ließen unzählige Fans erschaudern, und nun versucht er, mit Literatur Vergleichbares zu erreichen. Dafür hat er nicht selbst zur Feder gegriffen, sondern diese Anthologie mit 23 Vampirgeschichten in Festas Nosferatu-Reihe zusammengestellt, die ein feines Gespür für interessante Varianten des alten Themas beweist. Nach einem kurzen Vorwort des Schweizer Künstlers stößt der geneigte Leser zum einen auf Klassiker wie Guy de Maupassants "Der Horla" von 1887, in dem ein unsichtbares Wesen, das Gedanken beeinflussen kann, dem Protagonisten das Leben schwer macht, zum anderen auf moderne Erzählungen wie "Slaughter" von P. N. Elrod, in der ihr vampirischer Privatdetektiv Jack Fleming es im Chicago kurz nach der Prohibition mit einem frisch erwachten Blutsauger zu tun bekommt, der seine neue Macht für eine Karriere als Gangster nutzen will. Die Vampire in dieser Sammlung sind vielgestaltig, und sie treiben ihr Unwesen nicht nur auf Friedhöfen und in Gruften. Conan-Schöpfer R. E. Howard konfrontiert einen prähistorischen Fantasyhelden mit Blut saugenden Pflanzen, Malte S. Sembten erzählt von einer Partie russischem Roulette zwischen einem Gottesmann und einem Vampir auf einem Mississippi-Dampfer, und Michael Siefeners mysteriöser Egelgott lauert in der U-Bahn. C. L. Moores Shambleau ist ein medusenartiges, Lebenskraft saugendes Wesen aus der Vergangenheit der Venus, das es auf eine menschliche Marskolonie der Zukunft verschlagen hat. Brian Hodges vampirischer Papst hat ganz eigene Pläne, was die katholische Kirche anbelangt, und in Christian von Asters "Im Nagerparadies" betreibt ein bleicher junger Mann bei Nacht eine ungewöhnliche Tierhandlung. Der absolute Höhepunkt der Sammlung ist allerdings Brian Stablefords "Der Mann, der die Vampirfrau liebte", eine Alternativweltgeschichte, in der die Welt im Jahr 1623 ganz offiziell von einigen tausend Vampiren beherrscht wird. Ihr Instrument der Macht über die Menschen ist deren abergläubische Furcht, doch als Edmund Cordery, Mechanicus und Ex-Geliebter einer Vampirin, das Mikroskop erfindet, scheint das Wissen über die Unterschiede von Vampir- und Menschenblut nicht weit -- Wissen gegen die abergläubische Furcht, gegen die Herrschaft der Vampire. Diese Ideenvielfalt ist die große Stärke von HR Giger's Vampirric, eine Anthologie, die mit spannenden Erzählungen unterhält, interessante Gedankenspiele präsentiert und immer wieder überrascht. Kurz: Eine ausgezeichnete Zusammenstellung vampirischer Geschichten. --Boris Koch Quelle:
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