Das theoretische StĂŒtzkorsett zu seinem Roman lieferte Matthias Politycki schon vorab in einem Aufsatz in der Zeit. In seinem âNachruf zu Lebzeitenâ sieht er den âUntergang des weiĂen Mannesâ voraus, attestiert der westlichen Gesellschaft geistige Entwurzelung und Glaubenslosigkeit, beklagt den RĂŒckzug in Privat-Esoterik und eine âmĂŒde Generalironieâ. Kopflastigkeit und Verweichlichung allerorten, aber aufgeklĂ€rt daherkommend! WĂ€hrend eines mehrmonatigen Kuba-Aufenthaltes fand Polityckis Erweckungserlebnis statt. In der âungebremsten Wildheit des Willensâ, sowie dem tief verinnerlichten Glauben der schwarzen Bevölkerung, fand der Autor das authentischere Menschenbild. Nicht wenige Zeit-Leser zeigten sich gelinde beunruhigt! Genau dahin, wo die Angst regiert, schickt Politycki nun seinen Protagonisten mit dem merkwĂŒrdigen Namen, wie ihn nur Romanautoren ersinnen können. In einer versifften Kneipe in Santiago de Cuba sollte der saturierte Banker Broder Broschkus, âFeind allen karibischen Frohsinnsâ, sein kaltes europĂ€isches Intellektuellenherz verlieren. Hier das ewig Weibliche, in Gestalt einer jungen Kubanerin; dort der kĂ€segesichtige, ĂŒbergewichtige und sich seiner HĂ€sslichkeit schmerzlich bewusste deutsche Herrenmensch auf Ferienfahrt. Auf der TanzflĂ€che plötzlich die pure Magie der Körperlichkeit. Ausgerechnet beim âverhassten Salsaâ mutiert der steife Teutone zur geschmeidigen Raubkatze. Broschkus beginnt zu schwingen, aus ist es mit dem hochmĂŒtigen europĂ€ischen Blick, der ganzen Kultiviertheit. Der Instinkt war erwacht. Vergessen war Kristina, die eigene Frau. Broder Broschkusâ Verwandlung hatte begonnen! Auf mĂ€chtigen 730 Seiten schickt Politycki nun seinen buchstĂ€blich etwas blassen Protagonisten auf der Suche nach der unbekannten TĂ€nzerin mitten ins Herz der Finsternis. Als Kontrapunkt zu dieser schwarzmagischen Welt perfekt gesetzt, der hohe, steifleinene literarischeTon (Percussionisten heiĂen auf Kuba immer noch âSchlagwerkerâ, bitteschön!). Broschkus, einem unglĂ€ubig staunenden und stĂ€ndig um Fassung ringenden Forschungsreisenden gleich, taucht tief ein in die archaische Welt der magischen Zeichen, der afrokubanischen Gottheiten und blutigen Opferungsrituale. Wie seriös der Autor von seiner Vision vom Niedergang der westlichen Kultur infiziert ist, zeigt das angehĂ€ngte akribische Register der âwichtigsten Tiere, Personen, Heiligen und Götterâ. Werden wir hier schon auf die Herren einer kĂŒnftigen Welt eingestimmt? DarĂŒber wird noch zu reden sein! --Ravi Unger Quelle:
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