Nein, auch dieser Kay-Scarpetta-Roman ist alles andere als ein gediegener Landhaus-Krimi, in dem der nach klassischer Manier giftmordende Gentleman zur Teestunde überführt wird. Ein Serienkiller sticht seinen Opfern die Augen aus, bevor er sie tagelang vergewaltigt und quält .... "BESTIE" heißt ein geheimes neurologisches Forschungsprojekt von Scarpettas verhindertem Dauerpartner Benton Wesley, das die Gehirnstruktur von Serienkillern untersuchen soll. Versuchsperson ist jener Psychopath und Ex-Polizist, der die Augen seiner Opfer verstümmelte, damit sie nicht sein kleines Geschlechtsteil sehen. Während der Untersuchungen gesteht er weitere Morde, um deren Aufklärung sich das Scarpetta-Team kümmern muss. Doch nicht genug damit, auch ein prominenter Arzt und eine bizarr tätowierte Frau werden ermordet -- diese hat die gleichen Tätowierungen wie der ominöse One-Night-Stand von Kays lesbischer Nichte Lucy. Dieses Mal wird Scarpettas Truppe an ihre psychischen und physischen Grenzen geführt. Und so erlebt man die Mitglieder in einem ganz anderen Licht als sonst: Pete Marino wünschte man angesichts seiner überzogen aggressiven Art Maulkorb und Leine, und Benton Wesley scheint völlig aufgezehrt zu sein von der Beschäftigung mit menschlichen Abgründen. Keine Helden also, die hier die Welt ein wenig besser machen sollen, sondern emotional gehandicapte Charaktere, die dringend ein Sabbatical bräuchten. Schon auf den ersten Seiten wird klar: Nicht nur Kay Scarpetta, sondern auch die Leser brauchen bis zur Aufklärung der mysteriösen Morde starke Nerven. Dabei wäre gerade im Vergleich zu frühren Scarpetta-Romanen mitunter etwas mehr Sorgfalt wünschenswert gewesen, etwa in Bezug auf die Qualität der Dialoge und eine gewisse Realitätsnähe des Plots. Kay-Scarpetta-Fans werden dies verschmerzen, auch diesen düsteren Roman lesen und gespannt warten, ob der nächste "Cornwell" wieder einen Fall für Scarpetta bereit hält oder einen anderen Ermittler fordert. --Henrik Flor, Literaturtest Quelle:
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