Italien, 1945. Ende des Zweiten Weltkriegs. Partisanen, verkappte Faschisten und Mitläufer aller Couleur stehen vor der Aufgabe, ein neues Italien zu schaffen. In einer Atmosphäre ständigen Misstrauens versuchen alle, beim Aufbau einer neuen Gesellschaft das Beste auch für sich herauszuholen. Ein Dorf in der Emilia Romagna. Commissario De Luca wird wider Willen in die Ermittlungen um die grausamen Morde an einer fünfköpfigen Familie hereingezogen. Verbrechen aus Rache, Raubmord, politische Hintergründe? Brigadiere Leonardi macht sich die Dienste des Commissarios zunutze, ahnend, dass De Luca selbst etwas zu verbergen hat. Mithilfe bei der Aufklärung oder Festnahme -- De Luca hat keine Wahl und nimmt Witterung auf. Francesca, die Kellnerin der Dorf-Osteria, genannt "La Tedeschina", weil sie sich während des Krieges mit einem deutschen Soldaten eingelassen hatte, und Carnera, Partisan und Held des Widerstands, erweisen sich als zentrale Figuren, die das Augenmerk des Commissarios auf sich lenken. Selbst Carnera, der nach dem Sieg über die Deutschen bereits wieder die Machtübernahme der alten faschistischen Strukturen kommen sieht, scheint nicht ohne Fehl und Tadel zu sein. Bald muss De Luca um sein Leben fürchten. Auf großartige Weise gelingt Carlo Lucarelli die Inszenierung eines kriminalistischen Kammerspiels, das von einer Stimmung eisigen Misstrauens, Skepsis und abgrundtiefer Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Zwischenmenschliche Beziehungen geraten zu Machtspielen, selbst Sexualität wird zur Machtprobe. Lucarelli erweist sich als Meister der ganz leisen Zwischentöne, ebenso als meisterhafter Schöpfer von Atmosphäre und ganz außergewöhnlicher Stimmungen. Er vermag seine Geschichte greifbar, fühlbar, mit-erlebbar zu gestalten bis ins Detail. Nicht ganz nebenbei gestaltet er in Commissario De Luca eine der faszinierendsten Gestalten des modernen Kriminalromans, einen Antihelden und selbst Schuldigen, einen Polizisten mit klarem analytischen Blick für seine Umgebung und seine Mitmenschen. Der trübe Sommer ist einer der schönsten, erschreckendsten und schlicht besten Romane, die uns in den letzten Jahren aus Italien erreicht haben. --Ulrich Deurer Quelle:
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