"Gute Literatur baut ungeahnte Brücken, jenseits der erdrückenden Kreise der intellektuellen Eliten, die dieses dunkle Jahrhundert nur noch mehr überschatten", schreibt der mexikanische Freiheitskämpfer Subcomandante Marcos an den spanischen Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán (abgedruckt in dessen neustem Buch Marcos - Herr der Spiegel). Seine Begeisterung gilt Montalbans Privatschnüffler Pepe Carvalho, was kaum verwunderlich ist, denn selten spiegelt eine Romanfigur so überzeugend die Gespaltenheit des Individuums zwischen Privatem und Politischen wider. Mit seinen rituellen Bücherverbrennungen muss Carvalho sich stets aufs Neue beweisen, dass er seine politisch engagierte Vergangenheit hinter sich gelassen hat und zum reinen Genussmenschen geworden ist -- wobei seine Leidenschaft gleichermaßen dem Essen und den Frauen gilt. Diese konsequente Selbstverleugnung wird auf eine harte Probe gestellt, als Carvalho auf der Suche nach seinem Cousin Raúl Tourón in Buenos Aires eintrifft. Der Prozess der Demokratisierung Argentiniens scheint fortzuschreiten, doch unter der Oberfläche sind es immer noch die wenigen Reichen und Mächtigen, die die Fäden in der Hand halten. Der Spanier Carvalho, der in Die Einsamkeit des Managers gezeigt hat, dass er sich im Netz politischer Intrigen durchaus zu bewegen weiß, verliert auf fremdem Territorium den Überblick und muss die Hilfe einer Gruppe ehemaliger Widerstandskämpfer in Anspruch nehmen. Der Titel Quintett in Buenos Aires ist Programm: In fünf großen Kapiteln stehen fünf verschiedene Figuren im Rampenlicht, werden fünf verschiedene Handlungsstränge gesponnen, zieht der erfahrene Autor sämtliche Register seines Könnens. Der Blick des Europäers Carvalho richtet sich fünffach aufgefächert auf das Argentinien der Gegenwart: Auf das Verhältnis zur ehemaligen Kolonialmacht Spanien, auf die "Verschwundenen" der Militärdiktatur, den Krieg um die so genannten Falkland-Inseln, die Allgegenwart der Dichterlegende Jorge Luis Borges und die Ausschweifungen der Superreichen. All das ist durchdrungen von der Melancholie des Tango, der Sehnsucht der Menschen nach einer Identität jenseits von Nationalismus und Krieg. Als auf unterschiedlichen Ebenen lesbarer Spannungsroman ist Quintett in Buenos Aires zweifellos ein Höhepunkt innerhalb der Carvalho-Serie. Leser der deutschen Ausgabe sollten sich allerdings vorsehen: Wenn die Figuren nicht in hochtrabendem Präteritum sprechen, äußern sie Sätze wie: "Das Wichtige daran, dass ich an der Macht bin, ist es, Alma empfangen zu können" -- ein Wunder, dass der Übersetzerin nicht die Tastatur zersprungen ist... Zum Einstieg in die Abenteuer des Meisterdetektivs aus Barcelona sei Wenn Tote baden empfohlen, als kulinarische Ergänzung das klassische Carvalho-Kochbuch Die Küche der lässlichen Sünden und die opulente Verführung (zum Essen und mehr) Unmoralische Rezepte. Der Beginn einer langen und leidenschaftlichen Freundschaft ist fast garantiert! --Hannes Riffel Quelle:
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