Es gab noch nie eine Hester Prynne, der es so gut ging! Wir schreiben das Jahr 1899, und Olympia Biddeford, die eigensinnige Tochter einer Familie der Bostoner Oberschicht, hat sich entschlossen, die Grenzen ihres streng behüteten Lebens auf die Probe zu stellen. Die heranwachsende Heldin von Olympia, die ihre Sommerferien auf dem Landsitz ihres Vaters in New Hampshire verbringt, ist entzückt vom Kreis der Künstler, Schriftsteller und Rechtsanwälte, der dort ein- und ausgeht. Sie ist jedoch besonders fasziniert von John Haskell, einem charismatischen Arzt, der sich um die Arbeitergemeinde der nahegelegenen Industrieorte kümmert. Dieser barmherzige Samariter mittleren Alters engagiert Olympia als Assistentin, und ihre Zusammenarbeit entwickelt sich rasch zu einer feurigen Liebesaffäre. Und es dauert nur wenige Wochen, bevor diese leidenschaftliche Übung in ärztlicher Fürsorge ans Licht kommt -- mit katastrophalen Konsequenzen für unsere geschwängerte Heldin. Sogar ihr Vater, der sie vergötterte, sieht sie nun als "übermäßig pummeliges sechzehnjähriges Mädchen, dessen Urteilungsvermögen man nicht mehr trauen kann", und besteht darauf, dass sie die Beziehung beendet. "Zu diesem Thema gibt es nichts mehr zu sagen", sagt er. Sie beißt sich in die Lippen, damit sie nicht noch weiter aufschreit. Sie umklammert die Armlehnen ihres Stuhls so fest, dass sie später Krämpfe in den Fingern haben würde. Sie wird sich weigern, ihm zu gehorchen, entschließt sie sich. Sie wird seine angedeutete Herausforderung annehmen und ihre eigene Wege gehen. Aber gleich im nächste Moment fragt sie sich, wie sie das denn bewerkstelligen sollte? Ohne die Unterstützung ihres Vaters würde sie kaum überleben können. Und wenn sie selbst nicht überleben konnte, wie sollte es denn ihr Kind? Letztendlich ist Anita Shreves siebter Roman eine brillante, äußerst unterhaltsame Version von Wuthering Heights, mit Olympia und Haskell an den Stellen von Catherine und Heathcliff. Die Autorin hat für ihren Neuengland-Hintergrund sorgfältig recherchiert, und das gibt dieser Studie einer eigenwilligen Frau eine extra Portion historisches Gewicht. Der eine oder andere Leser mag der Meinung sein, dass die Handlung ein wenig banal sei. Und trotz Olympias Bemühungen, eine unabhängige Frau zu sein, überwindet sie ihre Probleme letztendlich durch den Wohlstand und den Rang ihrer Eltern, was der feministischen Botschaft Shreves ein wenig die Kraft nimmt. Nichtsdestotrotz, Olympia ist eine Liebesgeschichte im klassischen Sinne und sollte als solche genossen werden -- es sei denn der Leser ist absolut allergisch gegen Happy-Ends. --Ted Leventhal Quelle:
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