"Ich schreibe, um laut gelesen zu werden", bekannte einst der Kultautor Armistead Maupin in einem Interview. "Ich beende nie ein Kapitel, ohne sicherzustellen, dass es mir mĂŒhelos ĂŒber die Lippen kommt. Ich komme von einer sĂŒdlichen Tradition des ErzĂ€hlens her, und ich glaube, dass Lesen wie ein anregender Waldlauf sein sollte, und zwar ohne hinderliche Holzklötze am Bein". Wer die Möglichkeit hatte, Rufus Becks fulminant polyphonen Parforceritt durch Maupins Meisterwerk Stadtgeschichten zu hören, der weiĂ, wie gut dem Autor aus San Francisco dies gelungen ist. Die "konzertante Fassung" seines Werks sei wohl die angemessenste Form der Darbietung, bemerkte Maupin weiter, und so nimmt es nicht Wunder, dass sein nach acht Jahren erster neuer Roman Der nĂ€chtliche Lauscher, bevor er noch in Buchform erschien, vom Autor gelesen und in voller LĂ€nge von einem Radiosender im Internet ĂŒbertragen wurde. Diese ungewöhnliche Art der Erstveröffentlichung machte auch thematisch Sinn: ErzĂ€hlt Der nĂ€chtliche Lauscher doch die durchaus auch autobiografische Geschichte vom homosexuellen Radio-Talker und Autor Gabriel Noon aus San Francisco, der inmitten einer Lebens- und Beziehungskrise den erschĂŒtternden Roman des 13-jĂ€hrigen, aidskranken Pete Lomax zugespielt bekommt. Zwischen dem Kult-Moderator von Noon@Night und dem misshandelten Jungen entwickelt sich eine Art familiĂ€re Beziehung, die zunĂ€chst nur ĂŒber die Stimme, per Telefon, funktioniert. Als Noon mehr wissen will, droht die Situation zu eskalieren. So kitschig der Plot von Der nĂ€chtliche Lauscher auch klingen mag: Maupin bewĂ€ltigt sein Thema einmal mehr auf unnachahmlich spannende, leichtfĂŒĂige Art. Anders als seinem beizeiten von Stimmproblemen geplagten Protagonisten nĂ€mlich ist ihm Der nĂ€chtliche Lauscher einmal mehr leicht ĂŒber die Lippen gekommen. --Thomas Köster Quelle:
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