Ein Autor (Samuel Beckett). Ein Drama (Warten auf Godot). Zwei Akte. Zweimal zwei Personen: Wladimir (Didi) und Estragon (Gogo), Pozzo und Lucky (Herr und Sklave) sowie ein Junge. Landstraße. Ein Baum. Abend. Man wartet. Auf Godot. Ganze zwei Akte lang. Doch Godot kommt nicht. Es passiert nichts. Nichts von Belang. Man wartet und langweilt sich. Man tauscht Banalitäten aus, Weisheiten... Man nervt sich. Man könnte sich umbringen, dann würde endlich mal was passieren! Man verzichtet darauf. Godot kommt nicht. Man wartet. Vielleicht morgen... Absurd! So eine karge Bühne, so eine karge Handlung und so eine karge Sprache! Was der irische Dramatiker Anfang der 50er Jahre auf die Bühne brachte, war eine schallende Ohrfeige für ein Publikum, das gewohnt war, im Theater vor allem eins zu Gesicht zu bekommen: Stücke mit Sinn. Das hier hatte keinen, und so rauschte man, ohne den zweiten Akt abzuwarten, in der Pause empört aus dem Theater. Aber die Gemüter beruhigten sich im Laufe der Zeit. Becketts Drama ist längst ein moderner Klassiker, und sein Autor einer der wichtigsten Autoren des absurden Theaters sowie des 20. Jahrhunderts überhaupt. Es gibt unzählige Deutungsversuche. Eine Warnung vor der Atombombe. Die Darstellung zweier Fellachen, die auf die Bodenreform warten. Die Frage nach Gott. Die Interpretationen sagen stets mehr über den Interpretierenden selbst aus, als über das Drama. Die Antwort des Autors ist karg wie sein Stück: "Wenn ich es wüßte, würde ich es sagen." Fast fünfzig Jahre nach seiner Entstehung können wir die Empörung, die das Drama einst auslöste, kaum nachvollziehen. Heutzutage ist doch nichts mehr absurd. Oder? Als eine englische Theatergruppe das Stück 1998 mit einer Besetzung, die nur aus Frauen bestand, inszenieren wollte, wurde es ihr mit der Begründung, das entstelle zu sehr den Sinn, untersagt. Vielleicht morgen... --Anne Hauschild Quelle:
|