Die deutsche Wiedervereinigung 1990 ist ob ihrer historischen Bedeutung Gegenstand zahlreicher Bücher geworden. Allerdings betrachten diese das Ereignis meist nur aus einer einzelnen Perspektive, sei es aus deutscher, amerikanischer oder sowjetischer Sicht. Nicht so dieser Band, der die Vorgehensweisen und dahinterstehenden Interessen aller beteiligten Nationen vereint und ein umfassendes Gesamtbild liefert. Die Autoren waren selbst US-Diplomaten und verfügen daher über große Sachkenntnis und über den Zugang zu allen notwendigen Quellen, die sie auch ausführlich belegen. So entstand eine äußerst detaillierte Beschreibung der Geschehnisse um die Wiedervereinigung und das Ende des Kalten Krieges. Dabei verharren Zelikow und Rice aber nicht in dieser Zeit, wo angebracht schildern sie in Grundzügen auch den historischen Hintergrund, etwa die deutsche Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg oder die "Perestroika" in der Sowjetunion. Diese Exkurse lassen das Geschehen 1989/90 verständlicher werden. Die 1989 einsetzende Fluchtbewegung aus der DDR, der Zusammenbruch des sozialistischen Systems, die kurze Phase einer echten ostdeutschen Demokratie unter de Maizière und schließlich ihr Beitritt zur Bundesrepublik -- bei all diesen Ereignissen wurde hinter verschlossenen Türen auf diplomatischem Parkett weit mehr taktiert und gestritten, als man es sich vorstellen mag. Wenn Kohl etwa gezielt auf eine Destabilisierung der DDR setzte, um sich der Wiedervereinigung rascher zu nähern, ist das ein ungemein packender Vorgang. Überhaupt vermittelt das Buch mit seinen vielen internationalen Akteuren ein fesselndes Bild der komplexen Abläufe. Man ist auch heute noch verblüfft über die Geschwindigkeit, mit der sich damals die politischen Veränderungen ergaben. Angesichts dieser Rahmenbedingungen war das Endergebnis wirklich eine "Sternstunde der Diplomatie". --Joachim Hohwieler Quelle:
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