Auf die altmodische Art Gewinne zu machen, war Enron nicht genug. Weil man mit den alt hergebrachten Buchhaltungspraktiken die Gewinnerwartungen der Wall Street verfehlt hätte, entwickelte die Finanzabteilung des US-Energiehändlers neue, „kreative“ Methoden, die es erlaubten, schnell wachsende Gewinne auszuweisen. Enron mauserte sich zum Shootingstar am Börsenhimmel, stieg in die Top-Ten der amerikanischen Konzerne auf und wurde zum gefeierten Vorzeigeunternehmen in einer Phase des wirtschaftlichen „anything goes“. Und der Erfolg heiligte die Mittel. Solide Geschäftspraktiken behinderten nur den Aufstieg – und wurden fallen gelassen. Wie ein Krebsgeschwür breitete sich eine Praxis von Manipulation und Betrug im Konzern aus. Buchhaltungstricks und Bilanzmanipulationen wurden zum Alltagsgeschäft. Die Kreativen aus der Finanzabteilung gründeten Scheinfirmen, tarnten Darlehen als Geschäfte und bogen mittels abenteuerlicher Finanzoperationen Verluste in Gewinne um - bis das Kartenhaus des Finanzsystems zusammenbrach und das Unternehmen über einer Milliarde Dollar nicht ausgewiesener Verluste bankrott ging. Enron wurde zum Skandal der Skandale, zum Synonym für Machtgier und persönliche Bereicherung. Und zu einem Kriminalfall, der bis heute die Gerichte beschäftigt. Termingerecht zum Prozess gegen die beiden Spitzenmanager Ken Lay und Jeffrey Skilling rollt Kurt Eichenwald, langjähriger Spitzenjournalist der New York Times, den Fall Enron in einer minutiösen Reportage auf. Mehr als 800 Seiten stark, ist das Buch ein Meisterstück akribischer Recherche und zugleich so elegant geschrieben, dass die journalistische Sisyphosarbeit nicht zur erzählerischen Hypothek wird. Im Gegenteil: Das Buch ist packend wie ein Krimi, lässt den Leser nicht mehr los. Eichenwald beschreibt ebenso eindringlich wie präzise, wie eine fatale Kombination von Blindheit, Arroganz und Gier einen ganzen Konzern in den Strudel krimineller Machenschaften reißt. Dass die führenden Protagonisten dies auch heute noch nicht wahrhaben wollen, ist die beste Bestätigung für den Titel, der nur vor der Lektüre des Buches reißerisch wirkt. -- Winfried Kretschmer Quelle:
|