Wir leben, diagnostiziert Stephan Grünewald den Gemütszustand unserer Republik, "wie in einem Hamsterrad" -- in einer Art "überdrehter Erstarrung". Wir fühlen uns bedroht und wissen, dass wir etwas tun müssen. Doch wir wissen nicht so recht was. Und tatsächlich: Was uns heute weithin fehlt, ist eine Zukunftsvision, die unserem individuellen, aber auch gesellschaftlichen Leben ein klares Ziel geben könnte. Stattdessen bewegen wir uns unentschlossen mal in die eine, mal in die andere Richtung und kommen, wen wundert's, nicht recht vom Fleck… Wieso ist das so? Was geht vor in den Deutschen? Was fühlen, was denken, was hoffen und was fürchten sie? Aus der Perspektive des Psychologen hat Stephan Grünewald diese Gesellschaft "zwischen Stillstand und Leidenschaft", wie es im Untertitel sehr treffend heißt, daraufhin untersucht. Seine Diagnosen stimmen nicht gerade optimistisch, auch wenn der Autor, wie es sich gehört, am Ende versucht, mögliche Auswege aus der individuellen und gesellschaftlichen Erstarrung, aus dem "simulierten" ins "wirkliche Leben" aufzuzeigen. Am Anfang des Weges zurück ins wirkliche Leben, so lautet die zentrale Botschaft, muss die Einsicht stehen, dass man sich nicht ewig um die Entscheidung herumdrücken kann, welche Richtung man dem eigenen Leben (und analog dazu der gesellschaftlichen Entwicklung) denn nun geben will. Sich ständig möglichst alle Optionen offen halten zu wollen, habe uns mittenhinein geführt in ein "alle Kräfte verschlingendes Sinnvakuum". Worauf es für den Einzelnen wie die Gesellschaft ankäme, wäre ein neues Maß zu finden zwischen der schicksalsergebenen "Durchhalteborniertheit" früherer Generationen und der "heutigen umtriebigen Sprunghaftigkeit, die ihre Lebensangst als Flexibilität feiert". Das freilich wird nicht so einfach sein! -- Andreas Vierecke Quelle:
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