So hat man sich das wirklich nicht vorgestellt: Nach ihrem Tod trifft die Krimi-Autorin Patricia Highsmith -- eine überzeugte Atheistin -- im Himmel auf Martin Luther. Doch nachdem sie sich dem Kirchen-Reformator zuerst ein wenig skeptisch genähert hat, öffnet dieser ihr die Augen: "Wer ermöglicht denn Ihrem Ripley das Weiterleben in einem nächsten Roman, nachdem er die Gesetze des Lebens gebrochen hat? Wer, wenn nicht Gottes unerklärliche Langmut?" Dem kann die Schriftstellerin nur zustimmen und danach einigt man sich auch noch auf ein gemeinsames Leibgetränk -- Bier. Die 25 Kurzgeschichten, die der Schweizer Pfarrer und Krimi-Autor Ulrich Knellwolf seinen Lesern in Doktor Luther trifft Miss Highsmith auftischt, sind voll von solchen Überraschungen, sie sind deftig und zuweilen makaber: Zu einer Lesung im kleinen Rahmen ladende ehemalige Schüler entpuppen sich als Metzger, die den Ich-Erzähler aufspießen wollen; ein Schriftsteller verzweifelt daran, dass sich nichts wirklich Neues mehr sagen lässt und stürzt sich in den Tod; eine plappernde Zug-Bekanntschaft schließlich stellt sich als raffinierter Frauenmörder heraus. Knellwolfs Moral scheint zu sein: "Es kann immer noch schlechter kommen." Diesen Satz können wir alle unterschreiben -- hier liegt das große Identifikationspotential für den Leser, das Knellwolfs Popularität mit ausmacht. Einziges Manko des kurzweiligen Schmökers: Wie es bei einer Kurzgeschichtensammlung beinahe unvermeidlich ist, wurde auch so manche schwächere, ein wenig achtlos hingeworfene Story aufgenommen. Sieht man von solchen Ausnahmen jedoch ab, so handelt es sich um ein weiteres gelungenes Buch des vielseitigen Geistlichen, das wegen der kurzen Texthappen noch dazu universell einsetzbar ist -- im Bus, im Wartezimmer oder als Bettlektüre. --Sebastian Fasthuber Quelle:
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