"Schreiben", erklärte Müller 1987, sei "ein Lebensausdruck. Je mehr man kalkuliert, desto wirkungsloser wird es, selbst politisch." Seine Sache sei die "Beschreibung". Und als "Beschreiber" war er famos. Sein Grundthema: die Geschichte. Seine literarische Arbeit: die permanente Provokation gegen Geschichtslosigkeit. An eigener biografischer Darstellung war er nicht sonderlich interessiert. Jan-Christoph Hauschild, Germanist, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heine-Institut in Düsseldorf und freier Autor, hat sich der Fleißarbeit ergeben, gesammelt und geordnet, recherchiert und interviewt, um am Ende schließlich doch keine eigene Interpretation vom "Genie" Müller zu liefern. Er hangelt sich von Stück zu Stück, von Text zu Text, unterstützt von zahlreichen Zitaten und schafft es doch nicht zum Innersten, zum Gesamtbild des Dichters, vorzustoßen. Trotzdem -- vergnüglich ist sie zu lesen, diese Biografie. Man stößt auf Neues, auf Überraschendes, lernt Herkunft und Werdegang genauer kennen, kann sich auf Interpretationslinien einlassen und erfährt mehr über die verwickelten Aufführungsgeschichten. Und kommt dem Menschen Müller in seinem Arbeitstrieb, in seinem Chaos und in seiner Beziehung zu Frauen näher. Und doch, was uns Müller nicht erklären wollte, erklärt uns auch Hauschild nicht. Und so bleibt es jedem Leser selbst überlassen, sich weiterhin sein eigenes Bild aus dem überreich vorhandenen Material zusammenzusetzen und offen stehende Fragen allein zu klären. --graenitz Quelle:
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