Fast 500 Seiten Rühmann, ist das nicht ein bisschen viel? Bei Torsten Körner nicht. Das Buch hat keine Hänger. Immer bleibt es dicht am Mann, am Lebensgang des Helden, aber es holt diskret so viel an Wissen von seitwärts heran, dass die Figuren plastisch werden und Tiefe gewinnen: Wir sehen keinen Bilderbogen, wir meinen vielmehr in ein 3-D-Bild des verflossenen Jahrhunderts zu blicken. Das füllt die 500 seiten leicht. Das 20. Jahrhundert, voll handgefertigter, gigantischer Katastrophen, war zugleich das erste voller Medienhelden. Wir haben uns angewöhnt, die Deutschen unter ihnen auf Schuldgehalt zu testen: Rühmann, der Medienheld und Liebling von Goebbels? Der muss doch Schuld auf sich geladen haben! Der Pflichtübung in moralischer Überheblichkeit entgeht Torsten Körner durch Genauigkeit. Mittels penibler Recherche vermag er Details (der Zeit, des Verhaltens von Nebenfiguren, Rühmanns selber, seiner Filmgestalten) nicht nur vorzuzeigen, sondern zum sprechen zu bringen. Ein Mensch wie du und ich wird sichtbar: manchmal mutig, manchmal opportunistisch, oft weder noch und nie ein Held. Die frühen Jahre in der Provinz oder Rühmanns Begabung als Regisseur: Körner hat einfach umfangreicher recherchiert, mehr Aussagen von Zeitzeugen gefunden als andere Biografen (wie z.B. Fred Sellin oder Görtz/Sarkowicz). So vermag er ein genaueres Bild von Breslau, Rühmanns erstem Engagement zu zeichnen, von Hannovers Theaterleben, von München, von Essen, von all den anderen Stationen auf dem Weg zum Ruhm. Und diese Genauigkeit hält einen bei der Stange. Fazit: Best Buy. Die längste Rühmann Geschichte ist zugleich die kurzweiligste. Kleiner Schwachpunkt: Die Fotos. Da kriegt man bei Görtz/Sarkowicz Der Schauspieler und sein Jahrhundert mehr zu sehen. --Michael Winteroll Quelle:
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