Blech-grün glotzt dem russischen Fernsehstar Artjom Butejko sein eigenes Gesicht aus dem Spiegel entgegen. Noch fünf Minuten sind es bis zur Klatsch-Sendung des Moderators, und die Maskenbildnerin Ljuba hat wirklich alle Mühe, den stumpfen Augen des arroganten Mannes etwas Glanz zu verleihen. "Hör mal Butejko", sagt sie deshalb, "soll ich dir vielleicht etwas Baldrian in die Augen träufeln? Du hast einen so toten Blick." Baldrian hätten sich die feinen Damen Anfang des letzten Jahrhunderts vor ihrem Gang zum Ball oder zum Rendezvous in die Augen geträufelt -- und Essig getrunken: "der romantischen Blässe wegen". Wenig später sieht auch Butejko reichlich blass aus, und sein Blick ist noch etwas toter geworden, als er erschossen aufgefunden wird. Der kleine Geschäftsmann Sanja Anissimow könnte es gewesen sein, denn der hätte ein Motiv gehabt. Allerdings sind die Straßen ganz Moskaus gepflastert mit Motiven, derart unbeliebt ist der schmierige Butejko gewesen. Was haben die Probleme der sympathischen Nachrichtenredakteurin Jelisaweta Beljajewa mit dem Fall zu tun? Und gibt es außer dem Baldrian-Angebot der Maskenbildnerin noch eine, viel konkretere Verbindung zum 20. Jahrhundert, zum sagenumwobenen Diamanten "Pawel", der im Strudel der Oktoberrevolution unter mysteriösen Umständen verschwand? Kein leichter Auftrag für Untersuchungsführer Borodin, der tief hinabführt ins dunkle Herz der russischen Hauptstadt. Seit Die leichten Schritte des Wahnsinns (2002) und Club Kalaschnikow (2003) hat sich die russische Autorin Polina Daschkowa auch die deutschen Krimi-Fans erobert. Russische Orchidee setzt diese gute Tradition trefflich fort. Warum nur können deutsche Schriftsteller nicht derart klug komponierte und spannende Romane schreiben? Naja, wir haben ja jetzt die Daschkowa. --Stefan Kellerer Quelle:
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