Roy Lichtenstein (1923-1997) war so etwas wie der Gegenpapst der Pop-Art-Kunst. Anders als Andy Warhol, der den seriellen Bildern der Medien- und Reklamewelt durch ihre Multiplizierung ironisch Einzigartigkeit verlieh, befreite er das Einzelbild des Comic-Strips aus seinem Kontext und vergrößerte es, um ihm im Umfeld von Museum und Galerie Autonomie und neue Bedeutung zu verleihen. Grob gerastert, schwarz konturiert und in unmodulierten Primärfarben gehalten, entstanden so Ikonen unserer Massenkultur, die denen Warhols mehr als ebenbürtig sind. Die ganze Bandbreite von Lichtensteins Pixel-Impressionismus zeigt der opulente, großzügig illustrierte und qualitativ hochwertig gedruckte Bildband von Diane Waldmann im Hatje Verlag, der mit seiner klugen Auswahl auf der berühmten zweiten Retrospektive des amerikanischen Künstlers im New Yorker Guggenheim Museums von 1993 basiert. Gezeigt werden Lichtensteins etwas ungelenke Comic-Experimente der Frühzeit ebenso wie die schöpferische Hochphase der "Brushstrokes", "Mirrors" und Stillleben in den Sechzigern und Siebzigern, aber auch die Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Abstrakten Expressionismus und seinen europäischen Vorläufern, namentlich mit Picasso, Cézanne, Magritte, Dalí, Jawlenski, Max Ernst oder Otto Dix. Der Abkehr vom Geometrischen hin zu fließenden Linien in den achtziger Jahren wird ebenso Aufmerksamkeit gewidmet wie den Interieurs des Spätwerks und den gelungenen, gänzlich eigenständigen Versuchen mit der (bemalten) Skulptur. So zeichnet Roy Lichtenstein ein Porträt des Künstlers und seiner Entwicklung vom "Stiefkind zum rebellischen, unabhängigen Vetter" amerikanischer, vor allem aber auch europäischer Strömungen. Beeindruckend dabei sind vor allem jene Werke, die in Auseinandersetzung mit der Klassischen Moderne entstanden -- und die selbst schon längst moderne Klassiker geworden sind. --Thomas Köster Quelle:
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