John Szarkowski, ein anerkannter Meister in der Kunst der Bildbetrachtung, behandelt hier 100 fotografische Platten des Franzosen Eugene Atget (wahrscheinlich 1856-1927). Atget begann mit seinen fotografischen Streifzügen durch Paris in den späten 1880ern, einer Zeit also, in der der Charakter der modernen Fotografie geprägt werden sollte. Szarkowski geht in seiner Einleitung zunächst auf den historischen Entwicklungsstand Ende des 19. Jahrhunderts ein, um auf die damals gerade neu entstandenen Möglichkeiten des Mediums hinzuweisen (schneller und leichter zu verarbeitende Materialien, vereinfachte Prozesse der Vervielfältigung), und befasst sich sodann liebevoll -- eloquent mit jedem einzelnen der (zum Teil kaum bekannten) Motive. Atget, über den als Person nicht viel bekannt ist, wird hier in historischen Bezug zu seinen Vorläufern (Charles Marville) und Nachfolgern (Berenice Abbott, Walker Evans) gesetzt. Unter seinen Zeitgenossen finden wir Namen wie Man Ray, Imogen Cunningham, Laszlo Moholy-Nagy und Paul Strand, sowie André Kertesz und Alexander Rodchenko, welche beiden ja, ebenso wie Atget, gerade in den letzten Jahren wieder mehr Aufmerksamkeit (durch Ausstellungen und Buchveröffentlichungen) genossen. Der vor seiner fotografischen Karriere bereits als Seemann und Nebendarsteller tätig gewesene Atget legte, ganz anders als beispielsweise Man Ray, oder Moholy-Nagy, keinen Wert auf künstlerische Verfremdungen. Er war überzeugt von der konstanten Neu-Erfindung der Welt durch sich selbst, was es ihm unnötig erscheinen ließ, sie künstlerisch zu manipulieren. Aus allen Schaffensphasen Atgets finden sich hier Motive: Von seinen Anfängen als Dokumentator der landschaftlichen Umgegend von Paris, über die scheinbar endlos wiederholten (und doch so variationsreichen) Straßen-, Häuser-, und Türensujets, bis zu den Darstellungen der eigenen Wohn- und Arbeitsräume sowie der Apartements mehr oder weniger bekannter Mitglieder der Pariser Gesellschaft reicht das Spektrum der Abbildungen. Ein souverän zusammengestelltes Werk, das die wandelvolle Zeit im Paris der Jahrhundertwende dokumentiert, und mit Atget wohl einen der großen Fotografen behandelt, der bis heute nichts an Faszination und Einfluss eingebüßt hat. --Tobias Robens Quelle:
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