Voltaire gilt heute allgemein als der Aufklärer schlechthin, geradezu als Symbolfigur der französischen Aufklärung, die auch le siècle de Voltaire genannt wird. Entsprechend weden seine Texte primär als aufklärerisch rezipiert - sofern man sie überhaupt noch liest: Zwar ist Voltaire als schillernde Persönlichkeit und Vielschreiber bekannt, doch nur Bruchteile seines Werks werden am Beginn des 21. Jahrhunderts von einer breiteren Öffentlichkeit gelesen. Als Ganzschrift findet einer seiner kürzeren Erzähltexte, Candide ou l´optimisme, die weiteste Verbreitung. Auf die Lettres philosophiques und den Dictionnaire philosophique als genuin aufklärerische Texte wird zumeist nur in Auszügen zurückgegriffen. Auch das zumindest dem Titel nach bekannte historiografische Werk Le siècle de Louis XIV wird nur von wenigen in Gänze rezipiert.
Dass seine Zeitgenossen Voltaire vor allem als Theaterautor feiern - der Durchbruch gelingt ihm 1718 mit der Tragödie Oedipe - ist heute vielen unbekannt, zumal seine Stücke nicht mehr aufgeführt werden. Dass Voltaire sich darüber hinaus lebenslang in zahlreichen Texten theoretisch mit dieser Gattung beschäftigt, wissen nur noch Spezialisten. Dieser Umstand rührt auch daher, dass es sich nur bei einem dieser Texte, den Commentaires sur Corneille, um eine Monografie handelt, die damit bereits durch den Titel als theaterkritisches Werk auffällt. Ansonsten müssen Voltaires Äußerungen zur Tragödientheorie mühsam zusammengetragen werden. Sie finden sich vor allem im Umfeld seiner eigenen Bühnenwerke, in Vorworten und Abhandlungen, die er seinen Stücken beifügt.
Die Frage ist, ob diese wenig bekannten Texte, die zumeist von vorneherein auf geringere Breitenwirkung ausgelegt sind, das Bild Voltaires als Aufklärer und kritischer Geist bestätigen. Quelle:
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