Das Genre der PortrĂ€tfotografie ist beinahe so alt wie das Medium selbst. So dauerte 1840 eine Aufnahme noch annĂ€hernd zwei Minuten, was von den Modellen ein hohes MaĂ an Konzentration und Selbstbeherrschung erforderte, um klar und deutlich abgebildet zu werden. Heute hingegen vermittelt die Kamera in Sekundenbruchteilen das Bild der fokussierten Person auf das Filmmaterial. Wolfgang Tillmans Portraits sind, anders als seine Reportage- und Dokumentarfotografien, mit denen er fĂŒr Szene-Magazine wie Spex und ID oder Modejournale wie Vogue Anfang der 90er-Jahre auf sich aufmerksam gemacht hat, in einer bewussten PortrĂ€tsituation entstanden. Der Band prĂ€sentiert 68 Farbtafeln mit Personen aus seinem privaten Umfeld sowie dem öffentlichen Leben. Einige davon hat Tillmans mehrfach abgelichtet. So den SĂ€nger der britischen Popband Pulp, Jarvis Cocker, der sowohl in einer Situation fast privater NĂ€he als auch in der distanzierten Pose des Popstars zu sehen ist. Viele der Bilder bestechen durch die Offenheit, mit denen die Abgebildeten der Kamera begegnen und andere durch die Klarheit, mit welcher der Fotograf die Persönlichkeit des Abgelichteten darstellt. Beeindruckend sind hier vor allem die Arbeiten ĂŒber den ehemaligen SchachgroĂmeister Anatoli Karpow und den niederlĂ€ndischen Architekten Rem Koolhaas, deren biografische Aura er weit entfernt von massenmedialen Klischeevorstellungen aufzeigen kann. Seine Vorstellung zum fotografischen PortrĂ€tieren beschreibt der 1968 in Remscheid geborene und heute in London lebende FotokĂŒnstler in einem kurzen, dem Bildteil vorangestellten Text. Mit Portraits ist dem TrĂ€ger des prestigetrĂ€chtigen Turner-Preises von 2000 nach Concorde und Soldiers ein weiteres beeindruckendes Kunstbuch gelungen. --Stefan Meyer Quelle:
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