Entspannt, lachend und rauchend liegen zwei junge, gut aussehende Kunststudenten auf dem Dach der St. Martin's School of Art. Erst ein Jahr zuvor haben sich der Südtiroler Gilbert Proesch und der Brite George Passmore dort kennen gelernt. Die Fotografie aus dem Jahre 1968 zeigt das Künstlerduo Gilbert & George im Alter von 25 und 26 Jahren. Seit dieser Zeit an der renommierten Londoner Kunsthochschule leben und arbeiten sie zusammen. Zwischen 1969 und 1977 traten sie als "lebende Skulpturen" im öffentlichen Raum und in Galerien auf und begannen Ende der 1970er-Jahre damit, aus verschiedenen Fotografien monumentale Bildkompositionen herzustellen. In diesen spielt auch immer ihr eigenes Abbild eine zentrale Rolle. So posieren sie dort nackt oder bekleidet in ihren zum Erkennungszeichen avancierten Maßanzügen, mitunter in homoerotischen Positionen, zwischen jungen Männern, Körperteilen, Ausscheidungen und mikroskopisch vergrößerten Körperflüssigkeiten, umgeben von Ansichten städtischer Parkanlagen und monotoner Stadtlandschaften. Die Objekte und Motive, die sie in ihren Bildern verwenden, stammen oft aus der Umgebung ihres Wohnortes in East London, wo es ihrer Meinung nach "alles gibt, worum es in der Welt geht". Sie fotografieren, kolorieren und vergrößern diese, bevor sie sie angeordnet in einem schwarzen Raster zu wandgroßen Fotocollagen zusammenfügen. Auf den ersten Blick kann man dabei meist nicht erkennen, aus welchen Elementen diese kunstvollen Kompositionen bestehen. So auch bei der auf der Umschlagseite abgebildeten Arbeit "Named", in der sich Gilbert & George vor einer riesigen, gerasterten, gelben Wand mit runden Kreisen in Szene setzen, die sich erst auf den zweiten Blick als Ansammlung homosexueller Kontaktanzeigen entpuppt. Als wichtiges Ziel ihrer Arbeit sehen die beiden Künstler die Liberalisierung im Umgang mit Tabus, wie Sexualität, Körper und Religion an. Dabei gelingt es ihnen in ihrer unverkennbaren visuellen Sprache, auch sehr drastische Dinge ansprechend darzustellen. Der hervorragend gestaltete deutsch- und englischsprachige Band enthält neben den 26 großformatigen Werken aus den Jahren 1989 bis 2001 zahlreiche Statements der Künstler, in denen sie sich dazu äußern, "Was ihr Kunst bedeuten soll". Bemerkenswert sind auch die 33 biografischen Fotografien von 1968 bis 1997, die den Bilderzyklen vorangestellt sind. Sie zeigen in beeindruckender Weise die innige Beziehung dieses Künstlerpaares und machen verständlich, warum Gilbert & George von sich sagen: "Wir arbeiten an einem Gesamtkunstwerk. Und wir arbeiten daran gemeinsam, vom Anfang bis zum Ende. Wir sind eine One-man-Show. Wir sagen: Wir sind eine Person." --Britta Müller Quelle:
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