Piraten? Na, klar: Holzbein, schmuddeliger Rüschenfrack, Papagei auf der Schulter, klobige Pistolen im Gürtel, Krummsäbel in der Faust. Wie wir Kerle halt so aussehen. Die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson hat dieses Bild verbreitet und nicht nur den Rezensenten seinerzeit begeistert, sondern hundert Jahre lang viele kleine Jungs. Ein Buch wie von Königin Viktoria persönlich: Voll prüder Moral und schwüler Tropenphantasien. 1995 hat der dänische Autor Björn Larsson Gestalten aus Stevensons altem Erfolgsbuch von 1884 genommen und in einem eigenen Roman zu neuem Leben erweckt: Long John Silver. Auch Larsson hatte Erfolg. Nun liegt Long John Silver als Hörspiel vor. Drei Stunden Piratenwelt: Knarrende Takelage, Wind und Wogen, dazu Männer, die alle reden wie der Räuber Hotzenplotz und denen man dringend eine Familienpackung Fisherman's Friend rüberschieben möchte. Die "Atmo", wie das wohl heißt, geht voll in Ordnung und darauf kommt es vermutlich mehr an als auf die nicht immer ganz gewahrte Logik der Handlung. Drei Stunden lang mutige Männer. Denn hier brauchen sie keine Angst zu haben. Drei Stunden lang auch kaum Frauen. Die kommen nur in einer einzigen, nun ja, Position vor. Und dann beißen sie auch prompt dem bösen Sklavenhändler den -- na was wohl? -- ab. In den Staus rund um Hamburg dürfte das Werk Furore machen. Eingekeilt zwischen anderen Ex-Knaben werden wir uns weit weg träumen. Wenn der alte John Silver am Ende des Lebens über den Sinn des Piratseins philosophiert, werden wir uns schmunzelnd das letzte Hustenbonbon reinschieben ("extra stark") und die Kupplung kommen lassen: Es geht gerade mal wieder hundert Meter vorwärts. --Michael Winteroll Quelle:
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