Kunstsammler haben einen zweifelhaften Ruf. Man sagt ihnen gerne Geldgier nach, Ruhmsucht oder Eitelkeit. Im Fall des Münchner Verlegers Lothar Schirmer sind solche Spekulationen müßig: Er sammelt offensichtlich aus Begeisterung. Schon als Schüler investierte Schirmer das Geld, das er mit Ferienjobs verdiente, in zeitgenössische Kunst. Da er sich noch lange Jahre danach Werke arrivierter Künstler schlichtweg nicht leisten konnte, setzte er auf unbekannte Größen. Schirmer bewies ausgesprochenes Gespür für außergewöhnliche Talente: Um die Arbeiten von Cy Twombly und Joseph Beuys, die er seit Anfang der 60er Jahre erwarb, beneiden ihn heute viele öffentliche Sammlungen, die ihr Budget damals in schnellverderbliche Zeitgrößen investierten. Heute zählt die Sammlung Lothar Schirmer zu den hochwertigsten Privatsammlungen zeitgenössischer Kunst in Deutschland. Der angenehm zurückhaltend gestaltete Katalog zu den Ausstellungen in Bremen und München, wo die Sammlung 1999 zum ersten Mal öffentlich zugänglich war, zeigt über 300 Werke von 43 Künstlern in technisch hochwertigen Farbreproduktionen. Die Auswahl aus dem Universum der Kunst seit 1962 ist -- Privileg des privaten Sammlers -- hochgradig subjektiv und erhebt an keiner Stelle Anspruch auf museale Vollständigkeit. Neben Twombly und Beuys sind Walter De Maria, John Cage und Lothar Baumgarten besondere Favoriten Schirmers. Im Buchformat am eindrucksvollsten präsentiert sich zweifellos die Fotosammlung, die von der Präzision der Landschaften und Porträts August Sanders über Henri Cartier-Bressons elegantes Styling bis zu den perfiden Inszenierungen Cindy Shermans, die ganze Bandbreite des Mediums und seiner Motive vorstellt. Der Katalog ist ein Schau- und kein Lesebuch -- interpretierende oder biographische Texte zu Künstlern und Werken hätten schon der schieren Menge wegen einen weiteren Band erfordert. Eine bessere Einleitung und Einladung in die abgründige Welt des Sammelns, als das Gespräch, das Wulf Herzogenrath, Leiter der Kunsthalle Bremen, mit Lothar Schirmer geführt hat und in dem dieser selbstironisch und anekdotenreich Geschichten seiner Leidenschaft erzählt, ist jedoch ohnehin kaum denkbar. --Christian Demand Quelle:
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