Dieser Fotoband von Peter Lindbergh ist ein typisches "Coffeetable-Book". Man kann es hundertmal angucken und nie wird es langweilig -- im Gegenteil: Bei jedem erneuten Betrachten der Bilder entdeckt man neue Details, die einem die Fotos noch näher bringen als beim letzen Mal. Das ungewöhnliche Format (26 x 38,5 cm) macht das Erleben der Aufnahmen zu einem besonderen Vergnügen. Darüber hinaus ist eines der schönsten Bilder auf dem Einband, was es zusätzlich sehr dekorativ auf dem Couchtisch aussehen läßt. Lindbergh ist Modefotograf, auch wenn ihm mit diesem Titel Unrecht getan wird. Er fotografiert außergewöhnlich schöne Frauen in ausgefallenen Umgebungen. Man kennt seine Fotos aus den großen Modemagazinen Vogue, Marie Claire oder Harper's Bazaar oder auch dem 96er Pirelli-Kalender. Aber seine Bilder sind mehr als Modefotos, die zum Kauf der Kleidungsstücke animieren sollen: Es sind einfühlsame, stimmungsvolle Abbildungen von starken, selbstbewußten Frauen (dargestellt von den Supermodels Naomi Campbell, Kara Young, Tatjana Patitz, Kristen McMenamy, Milla Jovovitch u.v.a), die aus den Bildern hervortreten und die Mode in den Hintergrund drängen. Alle Bilder dieser Retrospektive sind Schwarzweißfotos, Lindberghs Lieblingsmedium. Meistens arbeitet er mit geringer Tiefenschärfe, konzentriert sich so auf das Wesentliche im Bild. Das Foto von Tina Turners Händen ist eine liebevolle Studie, wo Vorder- und Hintergrund im Nichts verschwimmen. Auf anderen Bildern erkennt man nur die Körper, Gesichter, Augen -- alles andere ist diffus. Diese und eine weitere Eigenheit Lindberghs machen seine Aufnahmen zu etwas Besonderem: Die Darstellung nicht perfekter Züge -- Grimassen, Gesichtsfalten, schiefe Zähne, abgeblätterter Nagellack -- geben den Fotos den letzten Pfiff, machen sie interessant. Genauso werden besonders natürliche oder ungewöhnlich attraktive Physiognomien hervorgehoben: Die meisten Models tragen wenig Make-up, schauen direkt in die Kamera. Man kann sich nicht satt sehen an diesen Porträts (besonders "schön" sind die Porträts von Berri Schmither, Marie-Sophie Wilson und die Doppelseite mit zwei Bildnissen Nadja Auermanns) -- jedes Detail möchte entdeckt werden. Wer Lindberghs frühere Monographien (Images of Women, Ten Women oder Smoking Women by Peter Lindbergh) gesehen hat, kennt einige der Fotos dieses Bildbandes. Eigentlich hat man das Gefühl, daß man sie fast alle irgendwo schon einmal gesehen hat -- denn Lindbergh hat unser Bild der Mode und der Models geprägt. Er zeigt uns, daß Modefotografie eine Kunstform sein kann, die uns alle berührt. --Sandra Neumayer Quelle:
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