Zuerst Der lange Marsch, der zum Fall von Madrid führte, jenem ominösen Tag im Jahr 1975, an dem der Diktator Franco starb. Nun also der Schlussstein der Trilogie. Rafael Chirbes ist nach einem langen literarischen Marsch im Hier und Heute angekommen. Die Regimegegner von einst sehen sich nach langer Zeit wieder. Das Treffen im Madrider Nobelrestaurant jedoch gleicht einem Schockerlebnis. Die ehemaligen Mitkämpfer und Alt-68er sind Jahre später mutiert zu feisten Baulöwen, saturierten Großbürgern und verkrachten Künstlerexistenzen. Die Revolution hat ihre Kinder gefressen! In dem bei Rafael Chirbes bereits gewohnten Perspektiv- und Erzählwechsel prallen einander fremd gewordene Freunde aufeinander. Die mit edlen Weinen handelnde Rita; ihr egozentrischer, chronisch erfolgloser Schriftstellergefährte Carlos, der sein Lebenswerk in einem weinerlich aufgeblasenen Verbrennungsakt vernichtet; die von allen begehrte dralle Amalia; Demetrio, der Grafiker, der seinen Lebensunterhalt als Nachtwächter in einem Großkonzern bestreitet -- bei Chirbes erhält jeder einzelne die Möglichkeit des Kommentars. Langsam entsteht im Aufruhr der inneren Monologe ein rhetorisches Schlachtfest. In den einstigen, im Kampf gegen das Regime vereinten Ideologen, brechen alte Animositäten und lange Verdrängtes mit Macht hervor. Wurden früher Molotowcocktails geworfen, hat man sich nun im globalen Dorf mehr oder weniger häuslich eingerichtet. Anderen erging es weniger gut. Und -- die wiedererlangte Freiheit hat nur neue Machthaber hervorgebracht. „Wenn die einen die anderen zu kontrollieren beginnen, das ist der Anfang von Diktaturen“. Im Roman findet sich dieser Rechtfertigungsversuch eines Ex-Kommunisten gegenüber dem eigenen Machtstreben. Nun ist sie ausgebrochen, die Freiheit, jeder ist sich wieder selbst der Nächste. Chronist Chirbes hat all diese gebrochenen Lebensläufe meisterlich aufgespießt. Ähnlichkeiten zu hiesigen Amtsträgern sind nicht beabsichtigt -- und doch unübersehbar. Die Franco-Diktatur und ihre späten Opfer. Ein beispielhaftes Werk hat seinen grandiosen Abschluss gefunden! --Ravi Unger Quelle:
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