TerĂ©zia Mora öffnet die TĂŒr zu einer merkwĂŒrdigen Welt. Man sollte gerĂŒstet sein fĂŒr eine verstörende Leseerfahrung. Gleich zu Anfang ihrer Geschichte wird der Protagonist Abel Nema mehr tot als lebendig an einem KlettergerĂŒst aufgefunden. An den FĂŒĂen mit Klebeband befestigt und in seinem schwarzen Mantel kopfĂŒber nach unten hĂ€ngend, erinnert er an eine riesige Fledermaus. Wer brachte ihn in solche Lage? Ein Auftakt, der -- und nicht zum letzten Mal fĂŒhlt man sich in einen Film von David Lynch versetzt -- das Ende der Geschichte vorwegnimmt. StĂ€ndige und verstörende Perspektivwechsel gehören zum Programm einer inneren und Ă€uĂeren Haltlosigkeit. Und alles nur wegen einer verschmĂ€hten Liebe? Abel Nema (das Anagramm zu âAmenâ verweist auf die vielen sprechenden Namen des Romans) lebte vor langer Zeit mit seinen Eltern âin einer kleinen Stadt in der NĂ€he dreier Grenzenâ. Ărtlichkeiten haben bei Mora eine stets traumhafte, seltsam undefinierbare QualitĂ€t. Theatergleiche ErzĂ€hlrĂ€ume, die, haben sie ihren Zweck erst erfĂŒllt, sich in Luft auflösen. Als Abel zwölf ist, verschwindet der Vater wort- und spurlos aus seinem Leben. Der endgĂŒltige SchlĂŒssel zu Abels emotionaler Steinwerdung findet sich jedoch in jener Szene, in der auch der langjĂ€hrige Freund Ilia Abels Liebe verschmĂ€ht und ins Auslandsstudium flĂŒchtet. Auch Abel wird von nun an ein FlĂŒchtiger sein. Und er ist gepanzert -- fĂŒr immer! Er verlĂ€sst sein Land und heiratet zum Schein die gutherzige Mercedes. In Omar, ihrem einĂ€ugigen und verschlossenen Sohn, findet er sein jugendliches Pendant. Die Ehe hat keinen Bestand. Der merkwĂŒrdig emotionslose Vater, der zehn Fremdsprachen perfekt beherrscht, ist und bleibt auf immer sprachlos. Lieblos. Und doch voll Sehnsucht. In einem kafkaesken Zimmer, das keine WĂ€nde zu besitzen scheint, beginnt Abel Nemas Niedergang. Ein Besuch in einem albtraumhaften Etablissement namens âKlapsmĂŒhleâ, gerĂ€t zum orgienhaften Danteâschen Inferno, und bildet doch nur den Vorhof zur wirklichen Hölle, die auf Abel noch warten sollte. Moras Roman durchzieht ein bestĂ€ndiger Eishauch. MĂ€andernd und losgelöst von Raum und Zeit ist nur gewiss, dass nichts gewiss ist. Ihre Nebelwelt prĂ€sentiert sich, analog dem Zustand ihres Helden, steinern und erkaltet. Sinnlich Wahrnehmbares gibt es nur in Form von GerĂŒchen und Lichtsituationen (oder besser: ewiger Lichtlosigkeit). Dass dies nicht ins romanhaft Experimentelle mĂŒndet, verdankt sich Moras Sprachgewalt. Metaphern- und Beobachtungsgrade von hoher Feinheit machen diesen beachtlichen Erstlingsroman zu einem der herausragenden BĂŒcher des Jahres 2004. --Ravi Unger Quelle:
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