Die Fans von Jostein Gaarder, und nach seinem Bestseller-Erfolg mit Sophies Welt hat er davon eine ganze Menge, können sich auf neue, abenteuerliche Ausflüge in das Spezialgebiet des Autors freuen, die Philosophie. Denn auch in seinem dritten Buch, das 1993 in Oslo erschienen ist, bleibt er seiner Vorliebe treu. Zugegeben, der im Deutschen sehr sperrige Titel Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort hätte besser gewählt werden können, doch das sind Äußerlichkeiten, die dem Ganzen keinen Abbruch tun. In seinem Roman wendet sich Jostein Gaarder wieder vor allem an junge Leser, die er mit seiner weiblichen, jungen Protagonistin unmittelbar anspricht. Für die krebskranke Cecilie ist es ziemlich langweilig, die Tage im Bett zu verbringen und das auch noch ausgerechnet an Weihnachten. Glücklicherweise besucht sie seit einiger Zeit ein netter Engel namens Ariel. So genau weiß die Kleine auch nicht, ob sie an Engel glaubt, doch mit Ariel kann man ungestört nachdenken und bereden, was einem in den langen Stunden im Krankenbett so durch den Sinn geht. Und es sind die schwierigen Fragen, die das kleine Mädchen beschäftigen: Wer bin ich? Woraus besteht die Seele? Gibt es Gott? Das Gespräch zwischen Cecilie und Ariel führt zu einer wunderbaren Begegnung zwischen Himmel und Erde und Cecilie versucht, Ariel einige seiner himmlischen Geheimnisse abzuluchsen. Für Ariel sind im Gegenzug dazu alle menschlichen Empfindungen fremd. Er kann sich Schmerzen oder Kälte partout nicht vorstellen. Mühsam macht sich Cecilie ans Erklären, und zusammen gelingen den beiden ganz treffliche Vergleiche: "Aber das muß doch ein typisch 'kaltes' Gefühl sein, vor allem, wenn ihr in den Schnee fallt. Habt ihr dann nicht am ganzen Körper so einen Gänsehautgeschmack wie starke Pfefferminze?" Die beiden erkunden auf sehr unterhaltsame Weise das Terrain des anderen, ohne daß sie sich mit Unklarheiten lange aufhalten, "denn wenn es stimmt, daß die Schöpfung ein großes Rätsel ist, und wenn etwas ein Rätsel ist, dann ist Raten erlaubt." Wie jeder gute Philosoph schon seit der Antike weiß, lassen sich die großen, tiefen Fragen des Universums am besten im Gespräch erforschen. Jostein Gaarder beweist in diesem ergreifend schönen Buch, daß er, wie schon in Sophies Welt, sein Metier meisterhaft beherrscht. Am liebsten würde man Cecilie und Ariel stundenlang, nein, besser seitenlang, zuhören. "Die ganze Schöpfung ist ein Spiegel, Cecilie. Und die ganze Welt ist ein dunkles Wort." Schöner läßt sich die Essenz des Buches nicht ausdrücken. --Manuela Haselberger Quelle:
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