Kommissar Berndorf kann nicht auf allzu viele Freunde zählen, weder in der Polizei noch in der Politik und schon gar nicht im Baugewerbe. Doch die Leser werden dem leicht bärbeißigen und literarisch gebildeten Kommissar -- Lichtenberg-Lektüre steht im Vordergrund -- die Stange halten. Denn was zuerst aussieht wie ein Brandanschlag von Neonazis auf die Unterkunft italienischer Bauarbeiter zieht immer weitere Kreise in die beste Ulmer Society -- oder steckt gar die ehrenwerte Gesellschaft dahinter? Ulrich Ritzel bestellt sein Personal mit umsichtiger Raffinesse. Die Besetzungsliste findet sich übrigens auf der Innenseite der Umschlagklappen. Das "Verzeichnis wichtiger Personen" versammelt sie alle: die Akteure im Gericht, die Montagsrunde der Rotarier, die Polizisten im Neuen Bau oder das politische Personal im Dunst der Staatspartei. Bereits die Figuren lassen auf die Geschichte schließen, Ritzel verschachtelt die Story zu Höchstspannung, lässt die Leser mitunter an der langen Leine laufen und gibt ihnen einen kleinen Vorsprung, nur um unvermittelt das Tempo wieder aufzudrehen, scheinbare Nebenschauplätze werden plötzlich zentral, Verbindungen eröffnen sich. Mit unbändiger Lust platziert Ritzel Mord und Rache, Vergewaltigung und Kindsentführung in Tiefgaragen, auf Hanffeldern, Bauernhöfen und Bootshäuschen am Bodensee. Dabei bedient er sich der ganzen Palette an Mordwerkzeug, dass es eine Freude ist. Dem sympathischen Kommissar gereicht zur Ehre, dass nicht alle Untaten geahndet werden. Die messerscharfe Spur verliert sich zwischen Schwemmholz im Bodensee. Mit seinem zweiten Roman um Kommissar Berndorf ist Ulrich Ritzel den hohen Erwartungen nach seinem Debüt Der Schatten des Schwans gerecht geworden. Und beruhigt liest man, dass er bereits wieder am Recherchieren sei. --Martin Walker Quelle:
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