LAURENCE SCHIFANO ist Universitätsdozentin und auf Filmgeschichte und deren herausragende Regisseure spezialisiert. Sie verbrachte neun Jahre in Italien, wo sie am Institut Français in Neapel lehrte. Zur Zeit lebt sie in Paris und widmet sich - neben ihrem Lehrauftrag - ihren wissenschaftlichen Forschungen.
"Das Leben muß einem wie Feuer in den Adern brennen", pflegte Luchino Visconti zu sagen. Von allen Geschichten, die uns der Autor von Sehnsucht, des Leoparden und des Ludwig miterleben ließ, war sein eigenes Leben zweifellos das leidenschaftlichste und auch das rätselhafteste... Wer war Graf Luchino Visconti? War er ein ebenso despotischer Tyrann wie jene selbstherrlichen, grausamen Fürsten des 13. Jahrhunderts, von denen er in direkter Linie abstammte oder war er ein fanatischer, von der Idee der Freiheit besessener Rebell? War er ein dekadenter Aristokrat oder war er ein von den Vorurteilen seiner Kaste befreiter Jakobiner? Und sein überschwengliches, von Zärtlichkeit und Grausamkeit überfließendes Herz - für welchen Freund, für welche Sache schlug es?
Wie Visconti selbst sagte, verbirgt sich hinter seinen eigentlichen Schöpfungen noch ein anderes Werk, von dem er träumte und das zu verwirklichen ihm nie gelang: Sonst wäre es ein Film geworden, der die Zeit vom Tode Verdis bis zum Zweiten Weltkrieg umfaßt und Apotheose wie Niedergang der hervorragendsten unter den großen Mailänder Familien aufgezeichnet hätte, nämlich die Geschichte der Dynastie der Visconti von gestern und heute. Dieser Clan war wahrhaftig wie ein summender Bienenstock. Mehr als der Vater, Herzog Giuseppe, einem exzentrischen Dandy und mit Fürstenhöfen vertrauten Snob, Don Juan und Homosexuellen, herrschte in ihm die " Bienenkönigin", die Mutter, die aus einer schwerreichen, aber nicht adeligen Familie stammte und so schön war wie die Claudia Cardinale aus dem Leoparden und noch hoheitsvoller, besitzergreifender und autoritärer als die Silvana Mangano... Quelle:
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